Mögliche Nebenwirkungen oder den Ausgang der Therapie – Krebspatienten:innen können viele Dinge nicht beeinflussen. Ein einfaches Mittel für alle, die aktiv etwas zu ihrem Wohlbefinden beitragen möchten, ist jedoch die Ernährung: Sie kann Energie spenden, die Lebensqualität heben und der Genuss am Essen fördert im Allgemeinen auch die Lebensfreude. Deshalb stellen sich viele Betroffene die Frage: „Wie ernähre ich mich richtig bei Krebs?“ Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Camilla Leithold beantwortet im Folgenden diese und zahlreiche weitere Fragen rund um die richtige Ernährung bei Krebs. Dr. Camilla Leithold ist Ernährungswissenschaftlerin und qualifizierte Diät- und Ernährungsberaterin des Verbands für Ernährung und Diätetik e. V. (VFED). Aktuell verstärkt sie die Arbeitsgruppe „Supportive Therapie“ an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Heidelberg freiberuflich als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Erfahren in der ernährungstherapeutischen Beratung und Betreuung onkologischer Patienten:innen kennt sie die Fragen und Anliegen, die diese bewegen.
Was dürfen Krebspatienten:innen genau essen? Und wie sieht eine ausgewogene Ernährung beispielsweise bei Leukämie, Prostata- oder Lungenkrebs aus? Dazu haben wir die Ernährungsexpertin Dr. Camilla Leithold befragt. Für sie steht fest: So wie es nicht den „einen“ Schuh gibt, der jedem passt, so gibt es auch nicht die Ernährung, die jedem gleichermaßen guttut und schmeckt. Vielmehr haben die verschiedensten Faktoren Gewicht: Welche Ansprüche habe ich an meine Ernährung – ist mir zum Beispiel wichtig, regionale oder Bio-Produkte zu kaufen? Welche Abneigung und Vorlieben habe ich? Liegt eine Unverträglichkeit oder eine Allergie vor? Deshalb sollte die Ernährung so individuell wie möglich gestaltet sein. Gemeinsam mit einem Ernährungsberater:innen können Patienten:innen herausfinden, welche Ernährung für sie geeignet ist.1
Was hat es mit dem Begriff „ausgewogen“ eigentlich auf sich? Dr. Camilla Leithold empfiehlt, sich an denzehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu orientieren: „Ausgewogen bedeutet, sich vielseitig zu ernähren und sich nicht auf spezielle Nahrungsmittel zu konzentrieren. Dazu gehört, viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte zu essen. Die Speisen sollten schonend zubereitet werden – also lieber nur kurz mit wenig Fett und Wasser gegart werden, um Nährstoffe wie Vitamine zu erhalten. Vielfältig zu genießen, schließt auch die Aufnahme von tierischen Lebensmitteln und gesundheitsfördernden – wie zum Beispiel pflanzlichen – Fetten ein. Wer darüber hinaus nur sparsam zuckert und salzt sowie vorwiegend Wasser trinkt, lebt ebenfalls ausgewogen. Dass man sein Gewicht im Rahmen hält und einen aktiven Lebensstil mit viel Bewegung führt, zählt auch zu einer ausgewogenen Ernährung.“1
„Mit der Ernährung können Patienten:innen selbst etwas beeinflussen und einen Beitrag zur Therapie leisten. Das gibt vielen mehr Selbstvertrauen.“
Dr. Camilla Leithold
In der 6. Folge unseres Podcasts sprechen Ernährungswissenschaftlerin Dr. Camilla Leithold und der Betroffene Alexander Böhmer über die Ernährungsgrundlagen bei Krebs. Im Vordergrund steht die Frage nach dem Stellenwert von gesunder Ernährung bei einer Krebserkrankung, besonderen Herausforderungen f ür Betroffene und wie Ernährung auch ein Stückchen Lebensqualität geben kann.
Aus Sicht der Ernährungsexpertin geht es bei der Krebstherapie in erster Linie darum, Mangelernährung und den damit einhergehenden Energieverlust zu vermeiden: „Liegt eine Mangelernährung vor, baut der Körper vor allem Muskelmasse ab. Das sieht man den Betroffenen meist nicht an, da viele eine gut aufgebaute Fettschicht haben. Mit dem Verlust von Muskelmasse fühlt man sich jedoch schlapp und kraftlos. Zudem wurde in Studien belegt, dass sich der Abbau von Muskelmasse negativ auf die Therapie auswirken kann: Patienten:innen leiden häufiger unter Nebenwirkungen und könnten die Behandlung vorzeitig abbrechen müssen.“1
Häufig fragen sich Krebspatienten:innen oder besorgte Angehörige, ob es erforderlich sei, die Ernährungsgewohnheiten umzustellen. Auch in dieser Angelegenheit kann die Ernährungsexpertin beruhigen: „Im Prinzip ist es nicht notwendig, dass Krebspatienten:innen ihre Ernährung komplett umstellen. Doch in einem Gespräch mit einem Ernährungsberater:innen kann man überlegen, ob sich etwas optimieren lässt. Meist gibt es bei jedem an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit, etwas zu verbessern, um dem Muskelverlust vorzubeugen.“ Wer seine Ernährung umstellen möchte, sollte auf eine ausreichende Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen achten. Orientierung bieten die Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
„Besonders wichtig ist, sich die Lust am Essen zu bewahren. Viele Patienten:innen spüren besser als jeder außenstehende Person, was ihnen guttut und was sie gerade brauchen.“
Dr. Camilla Leithold
Liegen Anzeichen einer Mangelernährung vor oder besteht die Gefahr, haben Krebspatienten:innen Anspruch auf eine qualifizierte Ernährungsberatung – häufig im Rahmen einer stationären Therapie. Doch auch außerhalb einer Klinik ist es möglich, dass Krankenkassen die Kosten für eine Ernährungsberatung übernehmen. Erkundigen Sie sich am besten bei Ihrer Krankenkasse nach den Voraussetzungen. Sie sind auf der Suche nach einer Ernährungsberaterung? Auf den Seiten BerufsVerband Oecotrophologie e. V. (VDOE) und Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V. finden Sie einen qualifizierten Experten:innen in Ihrer Nähe.
Eine Krebserkrankung kann aus verschiedenen Gründen zu Gewichtsveränderungen führen. Einige leiden beispielsweise an ungewollter Gewichtszunahme. Diese Veränderung des Äußeren ist zunächst kein Grund für Besorgnis, kann aber für manche Betroffene emotional belastend sein. Gewichtsverlust kann für Patienten:innen jedoch gefährlich werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Diagnose schlägt den Betroffenen sprichwörtlich auf den Magen und mindert den Appetit. Doch auch ein Tumor im Magen-Darm-Trakt wie zum Beispiel in der Speiseröhre kann die Nahrungsaufnahme stören. Daneben gibt es noch das Phänomen, dass Patienten:innen unbeabsichtigt abmagern. Der Fachbegriff dafür lautet Tumor-Kachexie (Kachexie = starker, krankhafter Gewichtsverlust). Etwa die Hälfte aller Krebspatienten:innen ist davon betroffen. Experten:innen unterscheiden zwischen dem primären Anorexie-Kachexie-Syndrom und dem sekundären Anorexie-Kachexie-Syndrom.2
Betroffene nehmen ab, weil der Tumor den Stoffwechsel verändert. Der Gewichtsverlust lässt sich in den meisten Fällen nicht allein durch die Ernährung ausgleichen.
Begleiterscheinungen der Krebstherapie erschweren es Betroffenen, genügend Nahrung aufzunehmen. Sprechen Sie darüber mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Auch bewährte Maßnahmen und Tipps können Abhilfe schaffen.2
„Eine Gewichtsabnahme ist dann besorgniserregend, wenn ein Patient:innen in einem Zeitraum von drei Monaten über fünf Prozent des Ausgangsgewichts oder in einem Zeitraum von sechs Monaten über zehn Prozent des Körpergewichts abnimmt.“
Dr. Camilla Leithold
Krebspatienten:innen sollten sich eiweißreich ernähren – etwa 1,2 bis 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.2
Dabei ist Fleisch ein wichtiger Eiweißlieferant und versorgt den Körper mit anderen wichtigen Bausteinen. Vegetarier:innen sollten zu Hülsenfrüchten wie Linsen, Kichererbsen oder Bohnen greifen.1
Die Krebsdiagnose verändert das Leben von Grund auf. Wer auch noch seine Gewohnheiten komplett umstellen soll, fühlt sich schnell überfordert. Deshalb gilt: Gute Vorsätze in Ehren, aber lieber nichts erzwingen.1
Wer therapiebedingt an Appetitlosigkeit oder Geschmacksveränderung leidet, dem fällt es manchmal schwer, empfohlene Lebensmittel zu essen. Hier gilt: Besser das essen, was schmeckt, als gar nichts. Selbst wenn es vermeintlich ungesunde Lebensmittel sind.
„Bei zu starkem Fehlgeschmack können manche Patienten:innen ivele Sachen nicht mehr essen. Dann reduziert sich die Nahrungsmittelauswahl enorm und infolgedessen kommen die Patient:innen schneller in eine Mangelernährung.“
Wem es schwerfällt, genügend Kalorien zu sich zu nehmen, der kann seine Speisen mit ein bisschen Fett anreichern: mit einem Extra-Stück Butter oder einem Schuss Sahne – zum Beispiel im Kartoffelbrei.1
Mit Trinknahrung – auch Astronautenkost genannt – kann man ein Energie- und Nährstoffdefizit begleichen, wenn man es nicht schafft, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen. Beispielsweise wenn Schluckbeschwerden oder Schmerzen im Mundraum auftreten oder nach Operationen oder nach längeren Nüchternphasen. Wenn der Arzt oder die Ärztin die Trinknahrung verordnet, müssen Sie nur die Rezeptgebühr bezahlen.1
Abnehmen sollte während der Krebstherapie nicht im Fokus stehen. Viel wichtiger ist es, durch eine ausgewogene Ernährung und Sport bzw. Bewegung die Muskelmasse zu erhalten. Es ist nicht schlimm, wenn Sie während der Therapie ein bisschen zunehmen. Essen Sie deshalb nicht weniger. Auch wenn Begleittherapien wie eine Kortison-Behandlung den Appetit anregen, ist dies zunächst kein Grund zur Sorge. Lassen Sie sich nach Abschluss der Therapie beraten, wenn Sie Ihr Gewicht reduzieren möchten.
Wer sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährt, versorgt seinen Körper ausreichend mit allen wichtigen Stoffen. In manchen Krankheitssituationen ist dies jedoch nicht möglich. So kann ein Mangel an essenziellen Nährstoffen, Vitaminen oder Spurenelementen entstehen. Wenn der Arzt oder die Ärztin einen Mangel feststellt, wird man Ihnen Nahrungsergänzungsmittel verschreiben.
Wer auf eigene Faust Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, riskiert eine Überdosierung und fügt sich eher Schaden zu. Ein Zuviel an Vitamin D kann beispielsweise zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall und im schlimmsten Fall sogar zu einem Nierenschaden führen.3 Deshalb sollte die Einnahme auch in puncto Dosierung nur in Absprache mit Ärzt:innen oder Ernährungsberater:innen erfolgen.
Eigentlich ist wenig verboten, doch eine gute Küchenhygiene ist nicht nur hier das A und O. Ausnahmen bilden Lebensmittel, die bakteriell verunreinigt sein können – zum Beispiel Sushi, rohes Ei oder rohes Fleisch. Der Hintergrund: Eine Chemotherapie kann dazu führen, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen sinkt und der Körper sich nicht gegen Infektionen wie Salmonellen wehren kann. In diesem Fall gilt es, auf rohe Lebensmittel zu verzichten, die zu einer Infektion führen können.
Achtgeben sollten auch Leukämie- und Lymphompatienten:innen, die vor einer Knochenmarktransplantation eine hochdosierte Chemotherapie erhalten: Durch diese wird das Immunsystem außer Gefecht gesetzt. Hier ist besondere Vorsicht und eine keimarme Ernährung angebracht.2
„Meine Ärztin hat mir damals verboten, im Restaurant aus Gläsern zu trinken, da diese in der Gastronomie häufig direkt an der Theke und nur kalt ausgespült werden. Ich musste entweder aus der Flasche trinken oder mein eigenes Glas mitnehmen.“
Paul*, Knochenkrebspatient
*Name von der Redaktion geändert
Generell können Sie während Ihrer Therapie alles essen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. So können beispielsweise Grapefruits und Pampelmusen die Wirkung von Medikamenten zur Chemotherapie (Zytostatika) mindern. Während einer Strahlentherapie ist der Verzehr von größeren Mengen Orangensaft nicht zu empfehlen, da er zu vermehrten Nebenwirkungen an Haut und Schleimhaut führen kann. Ob Sie auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten sollten, fragen Sie am besten Ihren behandelnden Arzt oder Ihre Ärztin.
Vorsicht gilt auch bei der Einnahme von Vitamin-C oder -E-Präparaten sowie Beta-Carotin. Diese Antioxidantien können die Wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie abschwächen. Jede Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollten Sie immer mit Ihrem Arzt oder Ihre Ärztin absprechen.4
Der menschliche Körper braucht Flüssigkeit: für die Zellfunktionen, als Lösungs- und Transportmittel von beispielsweise Nährstoffen, Sauerstoff und Hormonen oder zum Ausschwemmen von Abbauprodukten des Stoffwechsels. Etwa 1,5 bis 2 Liter pro Tag sollten es sein – daran können sich auch Menschen mit einer Krebserkrankung orientieren. Übrigens, nicht nur Trinken zählt: Auch Suppen, Obst und Gemüse versorgen uns mit Flüssigkeit.
Warten Sie nicht erst, bis sie durstig sind: Dann herrscht im Körper bereits ein Mangel an Flüssigkeit. Dieser macht sich außerdem durch folgende Anzeichen bemerkbar:
Wieviel Sie genau trinken sollen, hängt von Ihrem Krankheitsverlauf ab. Zusätzlich können auch hohe Temperaturen, schweißtreibende Aktivitäten oder andere Erkrankungen den Flüssigkeitsbedarf beeinflussen. Bei Fragen dazu wenden Sie sich am besten an Ihren behandelnden Arzt oder Ihre Ärztin.
Tipp: Starten Sie gleich morgens mit einem Glas Wasser. Damit die Hürde nicht so groß ist, kann es helfen, sich eine Wasserkaraffe oder Teekanne in Reichweite zu stellen. Für unterwegs ist eine Trinkflasche praktisch.5
„Wenn pures Wasser zu langweilig wird: Einfach Obstscheiben ins Wasser geben oder mal zu einem Smoothie oder einem alkoholfreien Weizenbier greifen – das hat mir sehr geschmeckt. Mein Onkologe hat mir am Tag nach der Chemotherapie eine Kochsalz-Infusion verabreicht – dann muss man nicht so viel trinken.“
Alexandra, Brustkrebspatientin
Die Abbauprodukte von Arzneimitteln werden über Blase und Nieren ausgeschwemmt. Dazu zählen auch Medikamente zur Chemotherapie, sogenannte Zytostatika. Deren Wirkprinzip zielt darauf ab, die Krebszellen auszuschalten; dabei nehmen aber auch gesunde Zellen Schaden – zum Beispiel die der Schleimhäute. Um die Blasenschleimhaut während einer Chemotherapie zu schützen, bekommen die Patienten:innen viel Flüssigkeit und je nach Bedarf auch blasenschützende Arzneimittel. Deswegen lautet die Devise während einer Chemotherapie: viel trinken. Über die genaue Menge und den Zeitraum informiert Sie Ihr Behandlungsteam.5
Fazit: In Kombination mit körperlicher Aktivität kann eine ausgewogene, eiweißreiche Ernährung den Verlauf einer Krebserkrankung positiv beeinflussen: Sie unterstützt dabei, Muskelmasse zu erhalten und so im Kampf gegen die Krankheit widerstandsfähig zu bleiben.