Jeder kennt körperliche Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken. Es gibt aber auch psychische Grundbedürfnisse, deren Gleichgewicht sich positiv auf unsere Lebensqualität auswirkt. Dieses Gleichgewicht kann durch die Diagnose Krebs massiv gestört werden.
Um ein zufriedenes Leben zu führen, benötigen wir ein psychisches Gleichgewicht. Zumeist merken wir ganz intuitiv, was wir brauchen oder was uns stört. Die Wissenschaft hat die psychischen Grundbedürfnisse in vier Dimensionen eingeteilt:
Bei einer Krebserkrankung kann das Gleichgewicht mindestens eines, meistens jedoch mehrerer psychischer Grundbedürfnisse verloren gehen. Der empfundene Kontrollverlust auf Grund der Krebsdiagnose trifft viele Patient:innen schwer.
Manche Patient:innen suchen die Schuld für die Erkrankung bei sich und bringen dadurch ihr Selbstwertgefühl ins Wanken. Außerdem wollen die wenigsten längere Zeit im Krankenhaus verbringen, sodass sich durch den therapiebedingten Aufenthalt die Unlust vermehrt. Das durch die Medikamente veränderte Aussehen kratzt häufig am Selbstwertgefühl, kann Unzufriedenheit und Unlust fördern und kann ggf. dazu führen, dass soziale Kontakte vermieden werden.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist die verlorene natürliche Intuition. Bei einer Grippe kann man in der Regel gut einschätzen, wie krank man ist und wann man einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen sollte. Zudem sind wir es gewohnt, dass man sich im Krankheitsfall schlecht fühlt und eine Therapie zu einer Besserung führt.
Bei einer Krebserkrankung ist das häufig anders. Oft fühlen sich Patient:innen bei der Diagnose nicht krank. Nach Beginn einer Therapie geht es ihnen jedoch zunächst aufgrund der Nebenwirkungen schlechter. Dennoch müssen sie daran glauben, dass es ihnen dadurch auf lange Sicht besser gehen wird. Das kann sehr verwirrend sein und die Eigenwahrnehmung ins Wanken bringen.
Körpergefühl und Selbstwahrnehmung bei einer Krebserkrankung unterscheiden sich sehr von anderen Krankheiten.
Die meisten Krebspatient:innen hadern zu irgendeinem Zeitpunkt mit sich selbst und sind psychisch nicht ausgeglichen. Wichtig zu wissen ist, dass man diese Phase alleine durchstehen kann, aber nicht muss. Spezielle Hilfsangebote werden zunehmend ausgeweitet und gerade in einem solchen Fall können Sie Hilfe bei einem Psychoonkolog:innen oder auch in Selbsthilfegruppen suchen.
Psychoonkologische Betreuungs- und Behandlungsangebote können in schwierigen Zeiten ein wichtiger Rettungsanker sein. Sie helfen oft beim Verstehen und Bewältigen einer Krebserkrankung. Das größte Anliegen der Psychoonkologie sind Erhalt und Verbesserung der Lebensqualität von Patient:innen und ihren Angehörigen.
Nicht selten stellt sich gerade zu Beginn einer Krebserkrankung ein Gefühl von seelischer Überforderung ein. Angst vor der potenziellen Bedrohung, Trauer, Wut und Hilflosigkeit sind häufig und in dieser Situation ganz normal. Eine erlebte starke psychische Belastung in dieser Situation ist keine Krankheit, sondern eine ganz natürliche Reaktion auf die außergewöhnliche Herausforderung. Nicht selten wird die Frage nach dem „Warum ich?“ mit belastenden Selbstvorwürfen beantwortet.
Dabei gehen Expert:innen heute davon aus, dass psychische Faktoren weder für die Entstehung einer Krebserkrankung noch für deren weiteren Verlauf eine wesentliche Rolle spielen – das bedeutet, dass seelische Belastungen, Konflikte, Stress und Überforderung eher nicht zu den Ursachen einer Krebserkrankung gehören.
Mit Hilfe von psychoonkologischen Angeboten können Ängste bewältigt, das Selbstwertgefühl aufgewertet und sozialer Isolation entgegengewirkt werden. Jedem Krebspatienten und jeder Krebspatientin steht prinzipiell eine psychoonkologische Betreuung zu. Die Kosten hierfür übernehmen in der Regel die Krankenkassen.
Der Psychoonkolog:innen stehen als neutraler Ansprechpartner zur Verfügung. Sie sind darin geschult, Patient:innen und Angehörigen den Umgang mit der Krankheit im Alltag zu erleichtern und neue Perspektiven zu öffnen. Das kann auf viele Arten geschehen: mit Entspannungsübungen, Gesprächen, allein oder auch mit den Partner:innen, mit der ganzen Familie oder in Gruppen. In der Kur gibt es darüber hinaus oft Angebote in Musiktherapie, Atem- und Körpertherapie oder Kunsttherapie. Je nach Gefühlslage und individuellen Problemen können sich die Inhalte psychoonkologischer Therapien voneinander unterscheiden. Die aktuelle Lebenssituation von Patient:innen, ihre Krankheitsgeschichte und die daraus resultierenden individuellen Fragen, Sorgen und Belastungen bestimmen letztlich die Ziele der Therapie. Zu den Zielen können zählen:
Es existiert weder ein Königsweg, noch gibt es ein Patentrezept bei der Lösung psychischer und sozialer Probleme bei Krebserkrankungen. Therapeut:innen können Sie darin unterstützen, Ihren ganz individuellen Weg bei der Bewältigung dieser Probleme zu finden.
Einige Patient:innen und auch Angehörige sind skeptisch, wenn es um „Psychoonkologie“ geht. Für sie ist psychologische Unterstützung gleichbedeutend mit einer psychischen Erkrankung, Instabilität oder Depression. Das ist nicht richtig. Vielleicht hilft es, Psychoonkologie eher wie ein individuelles Seminar zum Thema „Wie gehe ich mit meiner Krebserkrankung und deren Folgen um?“ zu betrachten.
Richtig ist aber auch, dass viele Patient:innen und Angehörige mit ihren vorhandenen Möglichkeiten und Bewältigungsstrategien sehr gut durch diese Ausnahmesituation kommen und keine weitere Unterstützung in Anspruch nehmen.
Die Möglichkeit, einen Psychoonkolog:innen zu konsultieren, ist eine zusätzliche Chance.
Hilfe in Anspruch zu nehmen ist kein Zeichen von Schwäche. Stattdessen ist das psychoonkologische Beratungsangebot eine zusätzliche Chance. Wir möchten deshalb dazu beitragen, dass Sie nicht aus falscher Zurückhaltung auf wichtige Unterstützung verzichten.
Allein in Deutschland nehmen tausende von Patient:innen und Angehörigen psychoonkologische Hilfe in Anspruch. Ein paar weitere Daten zeigen, dass Sie nicht allein sind:
Sie sind sich nicht im Klaren darüber, ob Sie psychoonkologische Hilfe in Anspruch nehmen sollten? Verstreicht vielleicht wertvolle Zeit, die Sie mit professioneller Unterstützung nutzen könnten, um Ihre Situation zu reflektieren und neuen Mut zu fassen?
Mit einer Krebserkrankung können einschneidende Erlebnisse und Belastungen einhergehen. Der Krankheitsverlauf ist oftmals mit Krankenhausaufenthalten, kräftezehrenden Therapien, Fort- und Rückschritten verbunden. Die nachfolgenden Phasen werden für die Psyche, das menschliche Miteinander, den Beruf und die körperliche Verfassung häufig als besonders belastend erlebt:
Von ärztlicher Seite wird einiges unternommen, um unterstützungsbedürftige Patient:innen zu identifizieren und ihnen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie in ihrer individuellen Situation benötigen. Aber nicht immer kann Ihr Arzt oder Ihre Ärztin intuitiv erkennen, ob es Ihnen seelisch schlecht geht oder Sie Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags und Ihrer Sorgen benötigen. Sprechen Sie ihn deshalb an, wenn Sie das Gefühl haben, mehr professionelle Hilfe zu brauchen.
Nicht alle Krebspatient:innen brauchen psychologische Unterstützung. Dies hängt von vielen Faktoren, wie der Persönlichkeitsstruktur, dem sozialen Umfeld und dem Verlauf der Erkrankung ab. Hier finden Sie Hinweise, wo Sie Unterstützung erhalten können.
Das psychoonkologische Betreuungs- und Therapieangebot hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert. Dennoch existiert in der Versorgungssituation ein großes Gefälle zwischen Stadt und Land.
Seit der Gründung des ersten psychoonkologischen Konsiliar-/Liaisondienstes in Zürich Anfang der 1970er-Jahre hat sich auch in Deutschland eine psychoonkologische Versorgungsstruktur entwickelt.
Psychoonkologische Angebote können in verschiedenen Einrichtungen und in allen Phasen der Erkrankung – sei es nach Diagnosestellung, während der Therapie, nach der Therapie, beim Wiedereinstieg in den Alltag oder bei einem Rückfall – in Anspruch genommen werden.
Eine erste Anlaufstelle, Ergänzung oder Alternative zu einer psychoonkologischen Betreuung sind die Krebsberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen.
Wenn Ihnen während Ihrer medizinischen Behandlung noch keine psychologische Unterstützung angeboten wurde, fragen Sie Ihren behandelnden Onkologen oder Ihre behandelnde Onkologin danach. Sie haben ein Recht darauf und sollten dieses auch einfordern. Die Onkolog:innen können ihre Patient:innen entsprechend vermitteln oder überweisen. Die Kosten für die psychoonkologische Beratung übernehmen in der Regel die Krankenkassen.
In dem Verzeichnis der DAPO (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie e.V.) und beim KID (Krebsinformationsdienst, Heidelberg) finden Sie eine Liste mit speziell ausgebildeten Psychoonkolog:innen. Onkologische Praxen mit psychoonkologischer Beratung finden Sie auch in unserem Praxisverzeichnis.
Die Dichte an psychoonkologischen Betreuungsangeboten variiert lokal sehr stark. In der Regel ist in Großstädten leichter eine Anlaufstelle zu finden als in ländlichen Gegenden. Auch in den Bundesländern ist das Betreuungsangebot sehr unterschiedlich.
Durch die Zunahme an Krebserkrankungen steigt auch die Nachfrage nach psychoonkologischen Betreuungsangeboten. In manchen Gegenden muss mit langen Wartezeiten gerechnet werden, da die Angebote nicht gleichmäßig verteilt sind. Hier können Krebsberatungsstellen unter Umständen die Lücken bei bestimmten Fragestellungen schließen.
Kümmern Sie sich frühzeitig um einen Termin. Gerade in ländlichen Gegenden können die Wartezeiten sehr lang sein.
Der Ausbau der psychoonkologischen Versorgung ist auch ein Anliegen der Bundesregierung. Im Nationalen Krebsplan (Stand:Juli2022) wird das Ziel formuliert, allen Krebspatient:innen eine bedarfsgerechte psychoonkologische Unterstützung anbieten zu können.
Die Berufsbezeichnung Psychoonkolog:in ist gesetzlich nicht geschützt. Der Grund liegt darin, dass es noch keine anerkannte Weiterbildung durch entsprechende berufsständische Körperschaften gibt. Ärzt:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen und -pädagog:innen, Kreativtherapeut:innen, Seelsorger:innen, Pflegekräfte und weitere Berufsgruppen bieten psychoonkologische Dienste an.
Die Basis für eine erfolgreiche psychoonkologische Therapie ist ein vertrauensvolles Verhältnis zu Ihrem Therapeuten oder Ihrer Therapeutin. Da Sie über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten werden, sollten Sie, wenn möglich sorgfältig wählen. Wichtig ist, dass Sie sich gut aufgehoben und verstanden fühlen. Das ist die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit.
Frau Dr. Petermann-Meyer ist unsere Expertin auf dem Gebiet der Psychoonkologie. Sie ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie und leitet die Sektion Psychoonkologie am Uniklinikum Aachen.
P-M.: Nach wissenschaftlichen Untersuchungen gehen wir davon aus, dass etwa knapp ein Drittel der Krebspatient:innen so belastet ist, dass professionelle Hilfe sinnvoll erscheint. Die Verantwortung zur Feststellung einer solchen Belastung liegt im medizinischen System, also bei den Ärzt:innen und den Pflegenden und anderen beratenden Disziplinen.
Eine Frage an Krebspatient:innen sollte deshalb immer sein: „Kommen Sie gut mit der Erkrankung und der Therapie zurecht?“ Ebenso sollten die Angehörigen gefragt werden: „Kommen Sie als Angehörige mit der Erkrankung ihres Familienmitglieds und mit der Therapiesituation zurecht?“ Denn oft ist es für die Angehörigen ziemlich schwer.
Patient:innen wie Angehörige können aber auch unabhängig davon zu uns kommen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie Unterstützung in Anspruch nehmen möchten.
P-M.: Bei Krebspatient:innen sind das zwei große Probleme. Zum einen ist das die Angst vor der Zukunft. Es ist die Angst vor dem, was durch die Krebserkrankung auf sie zukommen mag, also vor dem weiteren Krankheitsverlauf, den möglicherweise auftauchenden Einschränkungen, vor dem Sterben und dem Tod. Zum anderen ist es die momentane Einschränkung, die sie belastet. Das sind körperliche Einschränkungen, aber auch geistige wie zum Beispiel Konzentrationsschwächen.
Auch Angehörige haben Angst vor der Zukunft, aber dringender ist hier die Bewältigung des Alltags. Denn Angehörige sind oft einer Mehrfachbelastung ausgesetzt. Sie müssen alles organisieren und gleichzeitig psychisch-moralische Stütze für die Patient:innen sein. Angehörige haben aber auch ihre eigenen Sorgen und Ängste, z.B. Angst vor dem Verlust des Partners oder der Partnerin und Sorge, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können. Häufig wissen sie nicht, ob sie in der Situation überhaupt an sich selbst denken dürfen.
P-M.: Prinzipiell geht es immer darum, zuzuhören, zu sortieren und Entscheidungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei gilt es, zu unterscheiden, was akzeptiert werden muss und wo man gestalterisch tätig werden kann. Beispielsweise muss die Erkrankung akzeptiert werden, aber wie man dann mit der Erkrankung umgeht, kann jeder für sich entscheiden. Das ist dann auch individuell komplett verschieden.
Patient:innen beißen sich oft die Zähne dabei aus, wenn sie versuchen, die alte Normalität wieder herzustellen. So verständlich dieser Wunsch ist: In der Regel ist eine Krebserkrankung ein so einschneidendes Erlebnis, dass das nicht möglich ist. Psychoonkolog:innen unterstützen Patient:innen, in der neuen Situation anzukommen, und befähigen sie, sich darin zurechtzufinden. Dazu gehört auch wieder, eigene Entscheidungen treffen zu können.
P-M.: Bei uns erzählen die Patient:innen meist als erstes ihre Krankheitsgeschichte. Genauso wichtig ist aber zu erfahren, wer uns da gegenüber sitzt, also wie und wo der- oder diejenige lebt, arbeitet, welche Besonderheiten es in seinem oder ihrem Leben gibt. Wir wollen die Menschen auch unabhängig von ihrer Erkrankung mit all ihren Fähigkeiten und Belastungen kennenlernen. Denn für uns ist die Individualität jeder betroffenen Person die Grundlage für unsere Arbeit.
Dann widmen wir uns dem für die Patient:innen aktuell größten Problem. Und das ist etwas, das man sich bereits im Vorfeld überlegen kann: Was ist das Schwierigste oder das am meisten Belastende für mich? Oft versuchen wir schon an dieser Stelle, erste Entlastungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Ausgehend von den gemeinsamen Erfahrungen in dieser ersten Stunde entscheiden wir zusammen mit den Patient:innen, ob es mit der psychoonkologischen Unterstützung weiter gehen soll.
P-M.: Grundsätzlich dürfen alle Krebspatient:innen und ihre Angehörigen Psychoonkolog:innen in Anspruch nehmen. Die Kassen finanzieren das auch. Dazu ist ein Antrag auf Psychotherapie erforderlich, auf dem eine psychische Diagnose wie beispielsweise Anpassungsstörung, Belastungsstörung oder leichte Depression attestiert wird.
Der erste Antrag umfasst meist 25 Stunden, die man aber nicht alle in Anspruch nehmen muss. Bei Privatpatient:innen unterscheidet sich das Verfahren etwas: Nach den ersten fünf Probesitzungen, die quasi immer übernommen werden, gibt es sehr unterschiedliche Versicherungstarife. Da hilft es, sich im Vorfeld bei der Krankenkasse zu erkundigen.
P-M: Ich glaube, dass Selbsthilfegruppen einen ganz wesentlichen Beitrag zur psychosozialen Unterstützung leisten können. Patient:innen tut es oft sehr gut, auf Menschen zu treffen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. So merken sie, dass sie nicht alleine sind, sondern es auch andere gibt, die das gleiche Problem zu lösen und die gleiche Situation zu bewältigen haben.
Allerdings sind Selbsthilfegruppen nicht automatisch etwas für alle Patient:innen. Ich freue mich immer, wenn Patient:innen und Angehörige es ausprobieren und dann zu einer eigenen Entscheidung kommen. Deswegen rate ich Patient:innen, ihren Mut zusammenzunehmen und den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe zu suchen. Wenn aber jemand vorher schon weiß, dass es definitiv nichts für ihn ist, dann ist das auch in Ordnung.
Die Diagnose Krebs und dessen langwierige Therapie kann das psychische Gleichgewicht von Betroffenen und Angehörigen ins Wanken bringen. Daraus kann dann eine erhöhte psychische Belastung oder eine psychische Erkrankung resultieren. Achtsamkeitsübungen und das Erkennen der eigenen Bedürfnisse können helfen, die Balance wieder zurückzuerlangen.
Achtsamkeit ist eine Methode, die sich heutzutage zunehmender Beliebtheit erfreut. Eine vielleicht etwas bekanntere Bezeichnung ist Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), zu Deutsch, Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Ziel ist es aufmerksam mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und dem eigenen Körper umzugehen und dadurch ein tieferes Verständnis für sich selbst und die Umwelt zu entwickeln.
Was sich nun vielleicht etwas esoterisch anhört und den einen oder anderen abschrecken mag, ist in Wahrheit eine fundierte Therapiemethode, die in den 1970er Jahren von Prof. Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik Massachusetts entwickelt wurde. Ihre Wirksamkeit ist zudem gut erforscht und von der Schulmedizin anerkannt. Auch fernab von medizinischen Behandlungsräumen findet sie Anwendung. Das Angebot zur Erlernung von MBSR zum Stressabbau für Menschen in allen Lebenslagen wächst, ganz unabhängig von einer Krebserkrankung.
Gerade während einer Erkrankung kann Achtsamkeit hilfreich sein, um sich besser zurechtzufinden und das psychische Gleichgewicht zu finden und zu halten. Da es sich dabei um eine komplexe Methode handelt, und weil starke Gefühle hervorgerufen werden können, ist es wichtig Achtsamkeit unter Anleitung zu erlernen. Dennoch möchten wir Ihnen an dieser Stelle einen Einblick geben, was man sich darunter vorstellen kann.
Ein wichtiger Bestandteil der Achtsamkeit ist das Wahrnehmen und Erkennen der eigenen Bedürfnisse. Dabei geht es darum, möglichst klar aktuelle Wünsche und Ziele für die eigene, momentane Lage zu formulieren sowie Prioritäten für das eigene Leben herauszuarbeiten. Das bedeutet zwangsläufig einen intensiven Kontakt mit den eigenen Gefühlen und Vorstellungen, aber auch mit den eigenen Sorgen und Ängsten.
Sich verstehen und verständlich machen, klare Ziele und Prioritäten setzen sind der Weg zum psychischen Gleichgewicht.
Auf diese Weise lernen Sie, nach und nach Ihre Bedürfnisse zu erkennen, sie zu artikulieren und, als nächsten Schritt, sie anderen mitzuteilen. So können Sie Ihren Alltag besser daran anpassen, was Sie wirklich brauchen und wollen. Auch Ihr Umfeld kann besser auf Sie und Ihre Bedürfnisse eingehen und Sie können wieder zu einem Gleichgewicht zurückfinden.
Achtsamkeit bedeutet seine Aufmerksamkeit auf eine Sache zu lenken und sich damit gezielt zu befassen. Durch Konzentration auf eine einzelne Empfindung und deren Beweggründe erfährt man mehr über sich. Mögliche Fragen sind:
Des Weiteren kann man versuchen, eine Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich neue Möglichkeiten zu erschließen. Fragen hierfür wären:
Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen ist für manche Menschen ungewohnt. Um Ihnen einen Einblick zu geben, möchten wir Ihnen auch einige Übungen vorstellen. Es geht dabei hauptsächlich darum, das Wahrnehmen und Beschreiben von einzelnen äußeren Eindrücken zu üben.
Eine Übung wäre z. B. das Konzentrieren auf ein Geräusch, wie den eigenen Atem oder einen tropfenden Wasserhahn. Als weiteren Schritt kann man versuchen, das Geräusch und seine Empfindungen beim Hören aufzuschreiben. Man sollte sich unbedingt Zeit dazu nehmen, regelmäßig üben und sich nicht überfordern.
Zur eigenen Orientierung kann man auf einer Skala einordnen, wie schwer einem eine Übung gefallen ist (1 – sehr leicht; 10 – sehr schwer). Der tropfende Hahn sollte recht einfach sein, wohingegen das Beschreiben eines Gefühls in Zusammenhang mit der Krankheit naturgemäß ziemlich schwer sein dürfte. Als Hilfestellung kann man seine Ergebnisse als Tagebucheintrag oder Protokoll aufzeichnen und ggf. in einer Selbsthilfe-/Achtsamkeitsgruppe besprechen. Sie werden sehen, wie schnell Sie Achtsamkeit lernen können.
Kursangebote zum Thema sowie weitere Informationen erhalten Sie auf der Homepage des MBSR-Verbandes. Zudem können Sie bei Psychoonkolog:innen und Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe Unterstützung suchen.
Außerdem gibt es zahlreiche Bücher, die sich im Allgemeinen, aber auch in Bezug auf Krebs, mit der Thematik befassen:
Die Annahme, dass psychische Faktoren, wie Depression, Stress oder Trauma, mitverantwortlich seien für die Entstehung einer Krebserkrankung, ist unter Betroffenen sowie Angehörigen weit verbreitet. Doch ist dem wirklich so? Wir klären Sie auf, wieso diese Annahme so fest in der Bevölkerung verankert ist und was fundierte Studien über dieses Thema aussagen.
Bereits in der Antike führte Mark Aurels Leibarzt Galenus schwere Erkrankungen wie Brustkrebs auf eine negative Stimmungslage zurück – eine Theorie, die im Laufe der Zeit immer wiederkehrte und sich in der Wahrnehmung der Bevölkerung festigte. Im 20. Jahrhundert wurde die These, dass die Psyche verursachender Faktor einer Krebserkrankung sei, von Studien gestützt und bald als Tatsache angesehen. Darüber hinaus wurde sie um die sogenannte Krebspersönlichkeit erweitert, die besagt, dass es Menschen gäbe, die aufgrund ihrer negativ eingestellten, ängstlichen Persönlichkeit anfälliger für Krebserkrankungen seien.
Mittlerweile ist bekannt, dass besagte Studien oft rückwirkend zu einer Erkrankung angefertigt wurden oder auf Grund von zu kleinen Stichproben und methodischen Unsauberkeiten nicht als korrekt und somit nicht als stichhaltig gelten können. Erkrankte wie Gesunde nehmen dieses Konstrukt jedoch trotzdem gerne an, weil:
Letztendlich handelt es sich dabei also um den Versuch, die durch die Diagnose aus den Fugen geratene Welt wieder gerade zu rücken bzw. sich selbst von der Möglichkeit einer Erkrankung zu distanzieren.
Eine wegweisende Untersuchung zu diesem Themengebiet bildete die französische Studie, die den Zusammenhang zwischen Depression und Krebs bei Mitarbeiter:innen des Gas- und Elektronikkonzerns GAZEL untersuchte. Dabei wurden die klinischen Daten von mehr als 14.000 Mitarbeiter:innen über einen Zeitraum von 15 Jahren (1994-2009) erfasst und ausgewertet. Das Ergebnis lautete: Es war kein Zusammenhang zwischen Depression und Krebs feststellbar.6 Auch neuere Studien konnten keinen Hinweis darauf geben, dass Stress oder Depressionen zur Krebsentstehung führt.7
Die immer wieder zitierte Krebspersönlichkeit ließ sich in Studien bisher nicht nachweisen.
Das Risiko, an Krebs zu erkranken scheint für positiv gestimmte Menschen genauso hoch wie für Menschen mit einer negativen Grundhaltung zu sein.
Weitgehend einig ist sich die Wissenschaft darin, dass eine lang andauernde deprimierte, negative Stimmung indirekt auf das Krebsrisiko wirken kann. Depressive, traumatisierte sowie gestresste Menschen neigen eher dazu, sich beispielsweise ungesünder zu ernähren oder mehr Alkohol oder Nikotin zu konsumieren. Dies sind Aspekte, die eine Krebsentstehung begünstigen, wahrscheinlich jedoch nicht die psychischen Faktoren an sich.7
Viele Menschen sind der Meinung, mit einer positiven Einstellung könne man den Krebs überwinden. „Du musst jetzt positiv denken!“, hören Krebspatient:innen deswegen sehr häufig. Das ist sicherlich gut gemeint und mag dem ein oder anderen auch Mut geben. Oft bewirkt der Satz für Krebspatient:innen aber genau das Gegenteil. Denn natürlicherweise sind sie zunächst mehr als sonst traurig, ängstlich oder wütend über die ungeliebte Situation, in die sie geschleudert worden sind. Durch das „Du musst jetzt positiv denken!“ fühlen sie sich eher noch mehr unter Druck gesetzt und haben schon wieder das Gefühl, nicht alles richtig zu machen. Durch positives Denken entsteht also nicht unbedingt ein direkter Vorteil für einen positiven Krankheitsverlauf.
Jeder Patient und jede Patientin geht unterschiedlich mit seiner oder ihrer Lage um und muss einen jeweils individuellen Weg finden. Natürlich wirkt sich eine optimistische, weltzugewandte Haltung positiv auf die Lebensqualität aus und ist schon allein deshalb jedem Menschen zu wünschen, notwendig für einen positiven Krankheitsverlauf ist sie aber nicht. Mittlerweile können Krebspatient:innen und ihre Familien Psychoonkolog:innen zu Rate ziehen, die sich auf die Ausnahmesituation Diagnose Krebs spezialisiert haben.
Hier finden Sie Broschüren und Informationsmaterial für Betroffene und Angehörige
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