Mit Gedanken arbeiten

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Mit Gedanken arbeiten

Das Leben mit MS kann sich auf deine Art zu denken auswirken. Das kann besonders der Fall sein, wenn du Symptome wie Schmerzen, Erschöpfung und depressive Verstimmungen hast, die negative oder nicht hilfreiche Gedanken auslösen können. Diese Gedanken können sich darum drehen, wie MS sich auf dein Leben ausgewirkt hat, wie MS dein Selbstbild verändert hat oder wie die Zukunft für dich aussehen wird.

Wie du denkst ist wichtig, weil deine Gedanken großen Einfluss darauf haben, wie du dich fühlst und wie du handelst. Außerdem können deine Gedanken, auch wenn sie deine Symptome nicht unbedingt auslösen, diese doch schlimmer und weniger erträglich erscheinen lassen. Wir wollen dir helfen, deine nicht hilfreichen Gedanken zu ändern, damit diese nicht verhindern, dass du dein bestmögliches Leben lebst.

Es ist normal, dass Menschen, die mit einer großen gesundheitlichen Herausforderung oder einer stressigen Situation konfrontiert werden, darüber nachdenken und besorgt sind. Es ist so normal und diese Gedanken kommen so selbstverständlich, dass wir sie „automatische Gedanken“ nennen.

Leider sind automatische Gedanken häufig übertriebene, extreme oder beschränkte Versionen der Realität, mit denen sich Menschen auf die negativen Aspekte ihres Lebens konzentrieren. Einige Beispiele:

  • Katastrophisierung ist übermäßiges Sorgen und/oder das Vorhersehen des schlimmsten Falles. Zum Beispiel, wenn ein Mensch mit Schmerzen denkt: „Meine Schmerzen werden nie aufhören.“
  • Schwarz-Weiß-Denken ist, wenn wir nur zwei mögliche Ergebnisse sehen – ein sehr gutes und ein sehr schlechtes. Nur wenige Dinge im Leben sind tatsächlich so. Vielmehr sind Ergebnisse in der Regel in variierendem Maße gut oder schlecht. Und selbst negative Dinge haben meist auch etwas Gutes. Menschen, die so denken, könnten sagen, dass „heute alles falsch lief“, wenn eigentlich nur eine Sache falsch gelaufen ist.
  • Das Positive ignorieren heißt, dass eine Person sich nur auf negative Ereignisse konzentriert und die positiven ignoriert. Denk zum Beispiel an eine Person, die trotz ihrer Erschöpfung mit Freunden ausgeht und einen wundervollen Abend hat. Aufgrund ihrer Erschöpfung muss sie jedoch etwas früher nach Hause gehen. Eine Person, die das Positive ignoriert und das Negative aufbauscht, würde sich darauf fokussieren, dass sie früher nach Hause musste, und würde das positive Erlebnis eines Abends mit ihren Freunden unberücksichtigt lassen.
  • Prophezeiung ist, wenn für eine Person der Ausgang eines Ereignisses feststeht, bevor es stattfindet. Das ist vor allem ein Problem, wenn wir ein negatives Ergebnis prophezeien. Ein Beispiel wäre eine Person, die beim Aufwachen denkt: „Ich weiß, dass heute ein schlechter Tag wird“, obwohl es keine Anzeichen dafür gibt, dass dieser Tag besser oder schlechter als der vorherige Tag werden wird.
  • Sollte-Aussagen sind, wenn eine Person denkt, „ich sollte das tun“ oder „ich muss das tun“. Diese Gedanken können Druck, Stress und Unmut erzeugen. Gedanken darüber, was eine Person tun sollte oder nicht tun sollte, können besonders beunruhigend sein, weil sich die Fähigkeiten mit MS verändern, die Erwartungen daran, was man können sollte, jedoch oft gleich bleiben.

Diese Denkmuster führen zu Problemen, weil sie die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen negativer Ergebnisse betonen. Außerdem verleiten diese Denkweisen dazu, positive Erfahrungen und mögliche positive Ergebnisse zu ignorieren. Wir wollen dir helfen, deine Gedanken ins Gleichgewicht zu bringen.

Die Aussagen über negative Gedanken werden manchmal missverstanden als Aufforderung, nur positive Gedanken über MS oder Schmerzen zu haben. Das wäre unrealistisch. Natürlich sind einige sehr realistische Gedanken nicht positiv. Aber sich zu sehr auf negative Gedanken zu konzentrieren, ist in der Regel nicht hilfreich, selbst wenn sie wahr sind. Das Ziel ist hier, dass du dir (1) deines Denkens bewusst bist, da es deine Gefühle und Symptome beeinflussen kann, und (2) diese oben genannten negativen Denkmuster infrage stellst, sobald du sie erkennst, damit diese dich nicht auf einen unnötig negativen Weg führen.

Negative automatische Gedanken bringen zahlreiche Probleme mit sich.

Erstens sind sie negativ. Wir wissen, dass negatives Denken negative Ergebnisse wahrscheinlicher und positive Ergebnisse weniger wahrscheinlich macht. Im Hinblick auf Schmerzen, Erschöpfung und Depression wissen wir, dass negative Gedanken in Verbindung mit schlimmeren Schmerzen, größerer Erschöpfung und stärkeren Depressionen stehen. Und vor allem beeinflussen sie auch, wie wir auf diese Probleme reagieren. Wenn wir glauben, dass unsere Schmerzen nie nachlassen werden, sind wir skeptisch gegenüber Möglichkeiten, unsere Schmerzen zu lindern. Das kann dazu führen, dass Bemühungen, unsere Schmerzen zu lindern, weniger wirksam sind. Oder wir können uns sogar gegen eine Möglichkeit zur Verbesserung entscheiden, weil wir nicht glauben, dass eine Verbesserung möglich ist.

Zweitens sind diese Gedanken nicht zutreffend. Problematische automatische Gedanken überbetonen in den meisten Fällen negative Aspekte und spielen positive Aspekte herunter. Das erzeugt ein unnötiges und falsches Ungleichgewicht von Gedanken, die sich auf negative Ereignisse oder Ergebnisse konzentrieren.

Drittens erschweren sie es, positive Gedanken zu haben oder sich bessere Ergebnisse vorzustellen. So wie negative Gedanken „negatives“ Verhalten fördern können, können positive Gedanken „positives“ Verhalten fördern. Wenn eine Person mit Schmerzen glaubt, dass sie Erfolg haben kann oder eine Linderung ihrer Schmerzen bewirken kann, dann wird sie eher Dinge tun, die ihre Lebensqualität verbessern. Mehr positive Gedanken zu haben, bietet dir daher die größte Chance, deinen Zustand zu verbessern und das Beste aus deinem Leben zu machen.

Eine wichtige Strategie für den Umgang mit Gedanken ist das sogenannte „Reframing“. Eine Person, die diese Strategie anwendet, bemüht sich um eine ausgeglichene Denkweise, die nicht übermäßig negativ ist. Das erfordert drei wesentliche Schritte: (1) negative Gedanken identifizieren, (2) die negativen Gedanken infrage stellen und (3) alternative Gedanken entwickeln. Negative Gedanken haben wir bereits besprochen. Wir werden uns also jetzt darauf konzentrieren, die negativen Gedanken infrage zu stellen und Alternativen zu entwickeln.

Wenn wir Menschen auffordern, negative Gedanken infrage zu stellen, fragen wir sie zunächst nach Belegen oder Beweisen für ihren Gedanken. Es ist wichtig, Beweise, die den Gedanken unterstützen, und Belege, die diesen infrage stellen, zu berücksichtigen. Im Falle des katastrophischen Gedankens, dass „der Regen niemals aufhören wird“, würde eine Person zum Beispiel Belege für den Regen anführen, etwa wie lange es schon geregnet hat und wann es zuletzt nicht geregnet hat, sowie jegliche Belege, die die Überzeugung unterstützen, dass es für immer regnen wird.

Im nächsten Schritt müssen auf Basis anderer Belege, die ignoriert oder vergessen wurden, andere, zutreffendere Gedanken entwickelt werden. Wenn die Person aus dem Regenbeispiel bemerken würde, dass es (a) sechs Tage am Stück geregnet hat, aber (b) davor die Sonne geschienen hat, (c) eine regnerische Jahreszeit ist und (d) es letztes Jahr um diese Zeit elf Tage am Stück geregnet hat, bevor dann ein sonniger Tag kam, könnte sie einen ausgewogeneren Gedanken entwickeln. Ein zutreffenderer Gedanke könnte sein: „Auch wenn es sich anfühlt, als würde der Regen nie mehr aufhören, ist es eigentlich normal, dass es um diese Jahreszeit viel regnet. Der Regen wird irgendwann aufhören.“ Diese Denkweise hat den Vorteil, zutreffender und emotional weniger belastend zu sein.

Es folgen einige Beispiele für Reframing in Verbindung mit dem Umgang mit MS-Symptomen:

  • Susie hat einen schwierigen Tag mit ihren Schmerzen. Sie denkt: „Diese Schmerzen werden mein Leben ruinieren.“
    • Als sie nach Belegen dafür gefragt wird, erklärt Susie, dass sie am Vortag wegen ihrer Schmerzen einige Pläne aufgeben musste. Sie beschreibt jedoch auch einen anderen Tag vor Kurzem mit ähnlichen Schmerzen, an dem sie in der Lage war, andere Entscheidungen zu treffen, die es ihr ermöglichten, ihre Pläne für den Tag zu verfolgen.
    • Susie erkennt, dass ein alternativer Gedanke sein könnte: „Obwohl mir gestern meine Schmerzen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, bin ich auch in der Lage, Wege zu finden, um das zu verhindern, zum Beispiel meine Kräfte einzuteilen und Entspannungsmethoden anzuwenden.“
    • Im Vergleich zu dem ursprünglichen Gedanken fühlt sich Susie sicherer in ihrer Fähigkeit, mit ihren Schmerzen umzugehen.
  • Jims körperliche Leistungsfähigkeit hat sich aufgrund seiner MS verändert. Er sagt: „Wegen meiner MS kann ich kein guter Vater mehr sein.“
    • Jim nennt einige Dinge, die er in letzter Zeit im Haushalt nicht mehr tun konnte. Er gibt zu, dass diese Einschränkungen der Grund für seinen Gedanken sind. Als der gedrängt wird, darüber nachzudenken, wie er als Vater seine Familie unterstützt hat, nennt er viele Dinge: Er hat seiner Tochter bei den Hausaufgaben geholfen, er hat seinem Sohn vor dem Einschlafen vorgelesen und er hat gemeinsam mit seiner Frau Entscheidungen für eine bevorstehende Geburtstagsfeier getroffen.
    • Daraufhin erkennt Jim an: „Obwohl ich einige der Dinge, die ich bisher für meine Familie getan habe, nicht mehr tun kann, leiste ich doch viele wichtige Beiträge zur Erziehung meiner Kinder.“
    • Im Vergleich zu dem ursprünglichen Gedanken fühlt Jim sich besser im Hinblick auf die Erfüllung seiner Vaterrolle.

Es ist wichtig zu wissen, was Reframing tut und nicht tut. Es geht bei Reframing nicht darum, ein künstlich positives oder vorgetäuschtes Szenario zu schaffen. So wie wir nicht möchten, dass Menschen negative Aspekte überbetonen, möchten wir auch nicht, dass jemand so tut, als ob alles gut sei, wenn es das nicht ist. Stattdessen geht es bei Reframing darum, Gedanken zu haben, die genauer den Tatsachen entsprechen. Vor allem bedeutet diese ausgewogenere Prophezeiung in der Regel, dass wir uns ein besseres oder zumindest „weniger negatives“ Ergebnis vorstellen.

Das Reframing negativer automatischer Gedanken umfasst 4 wesentliche Schritte:

Schritt 1: Wähle eine Situation, die eine negative Emotion wie Traurigkeit, Frustration, Schuld, Wut oder Sorge ausgelöst hat.

Schritt 2: Liste die automatischen Gedanken auf, die dir durch den Kopf gingen.

Schritt 3: Identifiziere, welche Gefühle die Gedanken ausgelöst haben.

Schritt 4: Schau dir die Belege für deine Gedanken an und denk kreativ, um einen zutreffenderen und ausgewogeneren Gedanken zu entwickeln.

Verwende das Arbeitsblatt Anders Denken im Abschnitt Weitere Funktionen, um diese Schritte zu üben. Im Folgenden siehst du ein Beispiel für die Verwendung des Arbeitsblattes:

Schritt 1

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 2

Schritt 3

Schritt 3

Schritt 4

Schritt 4

Schritt 1

Identifiziere die Situation, die negative Gedanken auslöst.

Schritt 2

Beschreibe die negativen oder nicht hilfreichen Gedanken.

Schritt 3

Beschreibe deine Gefühle.

Schritt 4

Deute deine Gedanken um (Reframing): Entwickle alternative Gedanken.

Schritt 1

Schritt 2

Ich bin für alle eine Last.

Schritt 3

Schuld, Traurigkeit

Schritt 4

Meine Familie freut sich, mich zu sehen. Es ist ein Segen, dass ich Zeit mit meiner Familie verbringen kann. Ich kann mich an meinen Schwager halten, der ebenfalls gesundheitliche Probleme hat.

Schritt 1

Beim Familientreffen konnte ich bei der Wanderung nicht mit den anderen mithalten.

Schritt 2

Ich habe früher die Wanderungen immer angeführt. Ich sollte in der Lage sein, das zu tun!

Schritt 3

Wut, Unmut, Niederlage

Schritt 4

Ich war immer der Typ, der unter allen Umständen sein Bestes versucht. Ich tue gerade mein Bestes. Ich kann andere Rollen in meiner Familie einnehmen.

Schritt 1

Schritt 2

Mein Gleichgewicht und meine Kraft lassen immer mehr nach.

Schritt 3

Stress, Sorge

Schritt 4

Ich kann meine Leistungsfähigkeit bewahren, indem ich so aktiv wie möglich bin. Meine körperliche Leistungsfähigkeit kann gleich bleiben oder besser werden. Ich kann nicht wissen, was die Zukunft bringen wird.

Zu lernen, deine Gedanken umzudeuten, erfordert Übung über viele Tage und Wochen. Wenn du übst, deine negativen automatischen Gedanken zu bemerken, infrage zu stellen und zu ändern, wird das mit der Zeit leichter werden.

AUFGABE: Verwende anfangs für mindestens eine Woche jeden Tag das Arbeitsblatt Anders Denken, um diese Fähigkeiten zu üben. Verwende das Arbeitsblatt in Zukunft immer, wenn du eine Situation bemerkst, die dich aufregt.

Mit den folgenden Schritten kannst du die ganz grundlegende Fähigkeit üben, deine Gedanken zu erkennen und loszulassen.

Wie du im vorangegangenen Schritt gesehen hast, erfordert das Reframing von Gedanken Arbeit. In vielen Fällen ist das wichtige Arbeit, die hilfreich für dich sein kann. Die automatischen Gedanken können Probleme verursachen. Diese Gedanken zu eliminieren, kann der beste Weg sein. In manchen Fällen ist jedoch eine schnellere und einfachere Strategie zum Umgang mit nicht hilfreichen Gedanken besser geeignet.

Diese andere Strategie ist, die negativen Gedanken bestehen zu lassen und zu erkennen, dass Gedanken nur Gedanken sind. Deine Gedanken müssen dich nicht bestimmen. Deine Gedanken müssen nicht bestimmen was geschieht.

Automatische Gedanken werden zu Problemen, wenn wir an die Gedanken glauben, an diesen festhalten, sie uns zu eigen machen und Lebensentscheidungen auf Basis dieser Gedanken treffen. Es gibt die Möglichkeit, diese Gedanken zu haben, ohne an ihnen festzuhalten, sie uns zu eigen zu machen oder Entscheidungen auf Basis dieser Gedanken zu treffen. Stattdessen können wir einen Gedanken haben, seine Anwesenheit anerkennen und ihn vorbeiziehen lassen, ohne dass er unsere Sichtweise bestimmt.

Gedanken kommen und gehen zu lassen, ist eine Fähigkeit, die Übung erfordert. Mit ausreichend Übung können Menschen sehr gut darin werden, sich von negativen Gedanken nicht beeinflussen zu lassen. Wenn dir dieser Abschnitt gefällt, möchtest du vielleicht mehr darüber erfahren. Am Ende dieses Moduls finden sich Ressourcen für alle, die gerne mehr erfahren möchten. Es gibt jedoch auch eine sehr gute Chance, mit einigen einfachen Strategien Verbesserungen zu erzielen.

Nehmen wir als Beispiel den Gedanken: „Ich wünschte, ich hätte nicht diese MS-Schmerzen.“ Dieser Gedanke kann im typischen Fall zu vielen weiteren Gedanken und Verhaltensweisen führen. Zum Beispiel können einige Menschen von diesem Wunsch dahin kommen, sich stark von ihren Schmerzen beeinträchtigt zu fühlen („Sie fangen wirklich an, mein Leben zu beeinträchtigen.“) oder sogar den schlimmsten Fall anzunehmen („Ich werde wegen dieser Schmerzen nie das erreichen, was ich im Leben erreichen wollte.“). Andere ändern vielleicht ihr Verhalten und sind zum Beispiel weniger aktiv, in der Hoffnung, so die Schmerzen zu verringern.

Die Personen im vorangegangenen Beispiel haben sich den Gedanken „zu eigen gemacht“. Sie wünschen, sie hätten nicht diese Schmerzen, und reagieren, indem sie ihre Gedanken und/oder Verhaltensweisen ändern, um diese unerfreuliche Situation zu lösen.

Man könnte einwenden, dass es vollkommen verständlich ist, zu wünschen, dass die Schmerzen weggehen. Tatsächlich könnte man einwenden, dass man da nichts dran ändern kann. Es ist ein Wunsch, der ohne weitere Gedanken oder Handlungen existieren kann. Und man könnte einfach den Teilsatz „Ich habe den Gedanken, dass …“ vor den genannten Wunsch setzen: „Ich habe den Gedanken, dass ich wünschte, ich hätte nicht diese MS-Schmerzen.“

Es gibt viele unterschiedliche Strategien, um unsere Gedanken loszulassen. Eine Strategie beinhaltet, deinen Körper als Mittel zu entdecken, um deine Gedanken zu bremsen, sich dieser mehr bewusst zu werden und sie mit Abstand zu betrachten. Du kannst zum Beispiel diesen Schritten folgen, um daran zu arbeiten, deine Gedanken loszulassen:

Schritt 1: Nimm eine entspannte Haltung ein, im Sitzen oder Stehen. Achte auf deine Atmung. Schließ möglichst die Augen. Frage dich: „Was erlebe ich gerade?“ Denk über deine Gefühle nach, darüber, was du in deinem Körper spürst und welche Gedanken du hast.

Schritt 2: Beginne dir vorzustellen, dass du deine Gedanken auf neue Weise erlebst. Stell dir bei ängstlichen, rasenden Gedanken zum Beispiel vor, dass dein Verstand wie ein Affe ist, der von Ast zu Ast springt. Jeder Ast ist ein neuer Gedanke, den du einfach wahrnehmen und dann loslassen kannst, wenn du zu einem anderen Gedanken springst. Oder stell dir vor, deine Gedanken sind Schnellzüge, die im Bahnhof ein- und ausfahren. Vielleicht hast du auch anstelle von rasenden Gedanken einen Gedanken, der festsitzt wie ein Stiefel im Schlamm. Stell dir, während du deine Gedanken auf neue Weise betrachtest, detailliert die imaginäre Leinwand vor und bring deinen Fokus immer wieder auf deinen Körper zurück. Achte auf deine Atmung und darauf, was du im Körper spürst. Such dir das Bild aus, das für dich am besten funktioniert, um dir deine Gedanken als etwas anderes vorzustellen (ein Affe, Zug, Stiefel usw.) und sie einfach zu beobachten. Bemerke die Gedanken und ihre Wirkung auf dich einfach nur. Bemerke, dass diese nur Gedanken sind. Und lass sie dann los. Erlaube dem Affen, Zug, Stiefel usw., sich aufzulösen.

Wie das Reframing ist auch das Loslassen deiner Gedanken eine Fähigkeit, die Übung erfordert. Die Fähigkeiten aus dem Modul Entspannung können dir ebenfalls helfen, die Fähigkeit zu entwickeln, deine Gedanken loszulassen.

Eine weitere Strategie ist, bewusst positive, realistische, hilfreiche Gedanken zu denken. Wenn du dich gestresst oder unwohl fühlst, kannst du dir durch diese Situation helfen, indem du dich auf Gedanken konzentrierst, die du als beruhigend, fokussierend, motivierend oder hilfreich empfindest. Diese Gedanken werden auch als „Bewältigungsgedanken“ bezeichnet.

Welches Gefühl würden dir zum Beispiel diese Gedanken geben?:

  • „Ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich tun kann, um mit meinen Schmerzen (oder Stress oder Erschöpfung) umzugehen.“
  • „Ich fühle mich im Augenblick nicht wohl, aber ich komme damit klar, wenn ich mich auf tiefes Atmen konzentriere.“
  • „ich habe schon schwierige Dinge überstanden und ich weiß, ich werde auch das überstehen.“
  • „Ich komme damit klar.“
  • „Auch das wird vorübergehen.“
  • „Konzentriere dich auf die Gegenwart. Wozu musst du das jetzt wissen?“
  • „Nimm einen langen, tiefen Atemzug.“
  • „Das ist nicht wirklich ein Notfall. Ich kann einfach langsamer machen und darüber nachdenken, was als nächstes zu tun ist.“

Diese Gedanken fördern tendenziell positive Gefühle, geben dir Hoffnung und helfen, mit Symptomen umzugehen.

Bewältigungsgedanken sind am hilfreichsten, wenn sie auf dich persönlich zugeschnitten sind. Einige Tipps zum Entwickeln deiner persönlichen Bewältigungsgedanken:

  1. Denk an beruhigende Gedanken, die du bereits angewendet hast. Was hat in der Vergangenheit funktioniert?
  2. Wähle Aussagen, die deine Situation betreffen. Denke zum Beispiel, wenn du unter Erschöpfung leidest, an Aussagen zum Umgang mit Erschöpfung, die du hilfreich, beruhigend oder hoffnungsvoll findest.
  3. Achte darauf, dass deine Bewältigungsgedanken positiv, aber wahrheitsgetreu sind. Zum Beispiel wird es wahrscheinlich nicht helfen, bei Schmerzen zu denken, „ich werde nie wieder Schmerzen haben“, da es nicht wahr ist. Ein wahrheitsgetreuerer und hilfreicherer Gedanke könnte hingegen sein, „ich kann meine Selbstmanagementfähigkeiten nutzen, um die Schmerzen zu verringern“ oder „dieser Schmerzschub wird ebenso vorbeigehen, wie andere zuvor.“
  4. Wähle kurze Bewältigungsgedanken, die leicht zu merken sind. Du kannst auch einen oder zwei beruhigende Gedanken als dein „Mantra“ wählen.
  5. Was würde ein unterstützender Freund zu dir sagen?

Es kann schwierig sein, dich an deine Bewältigungsgedanken zu erinnern, wenn du unter Stress stehst oder dich schlecht fühlst. Deshalb empfehlen wir dir, einige Bewältigungsgedanken auf eine kleine Karte (eine „Bewältigungskarte“) zu schreiben oder gut auffindbar auf deinem Mobiltelefon zu speichern, damit du sie lesen kannst, wenn du sie brauchst. Du kannst auch verschiedene Aussagen für verschiedene Symptome aufschreiben, zum Beispiel einige Bewältigungsgedanken für Schmerzen und einige für Erschöpfung. Lies regelmäßig deine Bewältigungskarte oder deine gespeicherten Bewältigungsgedanken, sodass sie Teil deines Selbstmanagement-Toolkit werden.

Unsere Fähigkeit, über unsere Erfahrungen im Leben nachzudenken und diese zu verstehen, ist eine unserer größten Stärken. Wie jede Stärke birgt sie jedoch auch die Gefahr, uns zu behindern. Wir hoffen, dass die in diesem Abschnitt vorgestellten Anregungen dir die ersten Schritte vermittelt haben, um deine Gedanken auf die Förderung deines Wohlbefindens zu fokussieren.

Die Fähigkeit, dein negatives Denken zu ändern, verbessert sich mit der Übung. Du bekommst heraus, was du investierst.

Wenn du gerne mehr Hilfe beim Arbeiten mit deinen Gedanken hättest, dann bitte deinen Hausarzt, deinen Neurologen oder einen anderen medizinischen Betreuer um eine Überweisung zu einem Psychologen oder Berater. Du kannst dir einen Therapeuten suchen, der ausgebildet ist in Gesundheitspsychologie und kognitiver Verhaltenstherapie, deren Schwerpunkt das Ändern von Gedanken und Verhaltensweisen ist, oder achtsamkeitsbasierten Interventionsverfahren und Akzeptanz- und Commitmenttherapie, die sich stärker auf das Loslassen von Gedanken und die Fortsetzung des gewünschten Lebensweges konzentrieren.

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