Kommunikation

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Kommunikation

Menschen mit MS leben (wie alle Menschen!) in einem sozialen Umfeld. Deine MS existiert zwar in deinem Körper, aber du lebst und arbeitest damit in der Welt und hast Beziehungen zu anderen Menschen.

Für viele Menschen mit MS kann es eine Herausforderung sein oder sogar Konflikte auslösen, mit Angehörigen, Freunden, Kollegen, Ärzten und andern über ihre MS zu sprechen. Für manche besteht die Herausforderung darin, wie sie mit anderen über MS sprechen sollen, insbesondere wenn die andere Person nicht wirklich versteht, wie es ist, mit MS zu leben. Anderen bereitet es Schwierigkeiten, dass Angehörige oder Freunde auch Rollen als Pflegepartner einnehmen, was neu und gewöhnungsbedürftig für sie ist. Und in anderen Fällen kann die Herausforderung in der Kommunikation selbst liegen, da MS-bedingte kognitive Veränderungen das Organisieren von Gedanken erschweren oder Wortfindungsschwierigkeiten verursachen können.

Beziehungen und Unterstützung sind entscheidend für ein gutes Leben mit MS. Sie können unsere Symptome, unsere Stimmung und unser Wohlbefinden beeinflussen. In diesem Abschnitt möchten wir dir Anregungen für die optimale Kommunikation mit den Menschen vermitteln, die an deinem Leben mit MS teilhaben.

Wie jeder Mensch mit MS weiß, ist die Krankheit schwer zu erklären. Jeder Mensch erlebt MS anders, und Schweregrad, Auswirkungen und Symptome der Krankheit können sehr unterschiedlich ausfallen.

Mit Menschen, die keine MS haben, über deine MS zu sprechen, kann sehr schwierig sein. Die Person ohne MS versteht möglicherweise nicht, was du erlebst, vergleicht deine MS mit der MS-Erfahrung einer anderen ihr bekannten Person oder stellt Annahmen über dein Leben mit MS an.

Bei der Kommunikation über deine MS gibt es keine Einheitslösung. Jeder Mensch mit MS möchte unterschiedlich viel preisgeben und für viele hängt das auch stark vom Zuhörer ab. Zum Beispiel möchte eine Person mit MS möglicherweise viele Einzelheiten mit einem Partner, engen Angehörigen oder besten Freund besprechen, gegenüber entfernteren Verwandten oder Bekannten nur begrenzte Informationen preisgeben und Menschen, die sie kaum kennt, relativ wenig erzählen.

Folgende Punkte solltest du berücksichtigen, wenn du mit Menschen, die keine MS haben, über deine MS sprichst:

  1. Wer ist mein Zuhörer? Dieser scheinbar unbedeutende Punkt ist sehr wichtig, wenn du über deine MS sprichst. Mit wem du sprichst, kann großen Einfluss darauf haben, wie du über deine MS sprichst und was du erzählen möchtest. Es ist wichtig, die Rolle und das Wissen der Person zu berücksichtigen, deine Beziehung zu ihr und was sie mit den Informationen tun wird.
  2. Wie viel möchte ich erzählen? Nachdem du deinen Zuhörer identifiziert hast, musst du entscheiden, wie viel du erzählen möchtest. Du musst dir klar machen, dass du nicht jedem alles erzählen musst. Tatsächlich kann es in bestimmten Szenarien wie etwa im Arbeitsverhältnis besser sein, nur die Informationen weiterzugeben, die für eine bestimmte Anforderung wie beispielsweise am Arbeitsplatz relevant sind. In anderen Fällen ist es wiederum wichtig, umfassend zu informieren, damit du die verdiente Unterstützung erhältst. Letztendlich lässt sich möglicherweise anhand des nächsten Punktes am besten entscheiden, wie viel du erzählen möchtest:
  3. Was soll die andere Person nach diesem Gespräch wissen? Wir arbeiten uns in Gesprächen oft allmählich zu der eigentlichen Aussage vor, die wir vermitteln möchten. Wir ermuntern Menschen mit MS, zuerst über das Ende des Gesprächs nachzudenken und sich genau zu überlegen, welche Informationen sie dem Zuhörer mitgeben möchten. Wenn du zum Beispiel Probleme mit Schmerzen hast, möchtest du vielleicht verschiedenen Menschen unterschiedliche Informationen mitgeben. Dein Arbeitgeber muss vielleicht wissen, dass du eine neurologische Krankheit hast, die Schmerzen verursacht, die aber mit Ruhepausen alle 2 Stunden zu bewältigen sind. Oder du möchtest, dass dein Partner weiß, dass die Schmerzen dich sehr ängstigen und dass du seine Unterstützung brauchst, um trotz der Schmerzen durchzuhalten. Wenn du weißt, was du dem Zuhörer mitteilen willst, dann kannst du dafür sorgen, dass sich das Gespräch um diese spezifischen Bedürfnisse dreht, um sicherzustellen, dass die Botschaft beim Zuhörer ankommt.
  4. Was soll die andere Person nach diesem Gespräch tun? Selbst wenn wir glauben, dass wir unsere Wünsche klar äußern, sind wir manchmal alles andere als klar! Nimm dieses Beispiel:

Eines Nachts waren Lisas Schmerzen und Erschöpfung besonders schlimm. Sie sagte zu ihrem Mann: „Ich fühle mich heute Abend nicht gut.“

Ihr Mann ließ sie daraufhin in Ruhe, damit sie sich ausruhen konnte.

Daraufhin war Lisa sehr aufgebracht, weil sie das Gefühl hatte, ihr Mann hätte sie gerade dann alleingelassen, als sie sich nicht gut fühlte.

Lisa hat angenommen, dass ihr Mann wüsste was sie braucht, ohne dass sie es ihm sagen muss. Es könnte effektiver für Lisa sein, beim nächsten Mal genau zu sagen, was sie von ihrem Mann braucht. Außer dass sie ihrem Mann sagt, wie sie sich fühlt, könnte sie ihn auch um etwas bestimmtes bitten. Sie könnte zum Beispiel sagen: „Ich fühle mich heute Abend nicht gut. Kannst du einfach bei mir sitzen und mir etwas vorlesen.“

Es ist oft hilfreich für deine Kommunikation, zu überlegen, um was du bitten möchtest, und sicherzustellen, dass du das klar aussprichst.

Eine der häufigsten Sorgen von Menschen mit MS ist, dass ihnen nahestehende Menschen ohne MS nicht verstehen, was sie durchmachen. Das kann sehr frustrierend sein und kann Ursache für Missverständnisse oder Konflikte sein. Folgendes ist ein typisches Szenario:

Eine Person mit MS wacht morgens auf und stellt fest, dass ihre Schmerzen schlimmer als gewöhnlich sind. Sie weiß, dass sie nicht alles tun kann, was sie normalerweise tut, und sagt zu ihrem Partner: „Ich habe einen schlechten MS-Tag.“ Der Partner, der helfen möchte, sagt, „bleib doch einfach im Bett und sieh, ob es dir dann besser geht“, und verlässt den Raum, damit die Person mit MS sich ausruhen kann. Die Reaktion des Partners erfolgte mit guter Absicht: Er wollte erreichen, dass es der Person mit MS besser geht, also hat er eine Lösung vorgeschlagen und der Person mit MS den Freiraum gelassen, den diese nach seiner Einschätzung braucht, um sich besser zu fühlen.

Das Problem ist jedoch, dass die Person mit MS eine andere Reaktion erhofft hatte. Sie weiß, dass ihr bei starken Schmerzen die Ermutigung und Anteilname ihres Partners hilft. Außerdem weiß sie, dass einige Tätigkeiten für die Familie erledigt werden müssen, und hofft, der Partner wird ihr dabei helfen. Mit der Reaktion des Partners wurde nichts davon erreicht.

In diesem Szenario können beide Seiten sich die „Schuld“ zuweisen. Die Person mit MS hat nicht klar geäußert, was sie will. Stattdessen hat sie angenommen, der Partner würde aufgrund der Art, wie sie ihre MS beschrieben hat, wissen was sie will und braucht. Der Partner hat wiederum vermutet – unzutreffend! –, was die Person mit MS will, und eine Lösung vorgeschlagen.

Bei der Kommunikation mit Menschen ohne MS kann es hilfreich sein, folgende Empfehlungen zu berücksichtigen:

  1. Ein Mensch ohne MS wird nie ganz verstehen, wie es ist, mit MS zu leben. Das soll nicht pessimistisch sein. Es gibt eher die Tatsache wieder, dass MS eine komplexe Krankheit ist, die schwer zu verstehen ist. Diese Sichtweise erinnert außerdem die Person mit MS daran, dass sie nicht davon ausgehen kann, dass ihr Partner ohne eine spezifische Bitte wissen wird, was zu tun ist. (Zudem kann es dir helfen zu erkennen, dass du auch nicht weißt, wie es ist, in der Lage der anderen Person zu sein!)
  2. Sei spezifisch mit deiner „Frage“. In der beschriebenen Situation dachte die Person mit MS, sie würde um Hilfe bitten, indem sie beschreibt, wie es ihr geht. Diese Vorgehensweise ist jedoch eine Einladung für Missverständnisse. Vielen Menschen ist es unangenehm, um Hilfe zu bitten, aber wir wissen, dass eine klar formulierte Bitte immer besser ist als eine implizite.

Zu Beginn der Erkrankung liegt der Schwerpunkt in der Partnerschaft überwiegend auf der emotionalen Unterstützung der Person mit MS, die sich an das Leben mit der Krankheit gewöhnen muss. Bei fortschreitender Krankheit können sich die Rollen allmählich verschieben, insbesondere wenn die Person mit MS Tätigkeiten nicht mehr wie zuvor ausführen kann. Ein weiteres Fortschreiten der Krankheit kann weitere Herausforderungen mit sich bringen, etwa wenn die unterstützende Person eine Betreuerrolle einnimmt. Diese Veränderungen können sich auf die Beziehungsdynamik oder die Art und Weise auswirken, wie zwei Menschen in einer Beziehung miteinander umgehen. In Anerkennung der Tatsache, dass Leben mit MS tatsächlich eine Partnerschaft ist, hat die National MS Society den Begriff „Pflegepartner“ geprägt, um diese Beziehung zu beschreiben.

Leben mit MS ist für viele eine gemeinsame Erfahrung, an der Partner, Angehörige oder Freunde beteiligt sind.

Eine funktionierende Partnerschaft aufrechtzuerhalten, kann schwierig sein. Bei Pflegepartnerschaften mit Lebenspartnern kann es schwierig sein, die Balance zwischen der bisherigen Beziehung und der MS-fokussierten Beziehung zu halten. Wenn der Pflegebedarf zunimmt, kann es leicht passieren, dass Beziehungen sehr MS-fokussiert werden und nicht MS-bezogene Elemente der Beziehung in den Hintergrund treten. Einige hilfreiche Vorschläge, um die Balance in der Beziehung zu halten:

  1. Möglichst die „pflegende“ und die „nicht pflegende“ Zeit trennen. Eine der Schwierigkeiten bei Pflegepartnerschaften ist die Vermischung von MS-fokussierter und nicht MS-fokussierter Beziehung. Es ist zwar wichtig, die Erfahrung mit MS zu teilen, aber es ist auch wichtig, nicht zu vergessen, dass die Beziehung nicht auf MS basiert. Es gibt Aktivitäten und Erlebnisse, die euch zusammengebracht haben, und es ist wichtig, dass ihr euch Zeit nehmt, diese gemeinsamen Interessen weiterzuverfolgen.
  2. Rollen neu verteilen. Das Leben mit MS erfordert Anpassungen – nicht nur für die Person mit MS, sondern auch für ihr Familiensystem. Wenn eine Person mit MS eine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausführen kann, muss sich das Familiensystem anpassen, um die Tätigkeit zu übernehmen. Eine Möglichkeit ist, einfach jemand anderen die Tätigkeit übernehmen zu lassen, aber oft ergibt sich die Gelegenheit für einen Tausch – vielleicht kann die Person mit MS eine Tätigkeit übernehmen, die sie bisher nicht ausgeführt hat.
  3. Kreativ sein. Es kann zwar vorkommen, dass MS eine Person daran hindert, eine bisherige Tätigkeit auszuführen, aber häufiger ist es der Fall. dass MS die Person daran hindert, die Tätigkeit wie gewohnt auszuführen. Das ist ein feiner, aber sehr wichtiger Unterschied, denn es kann bedeuten, dass die Person die Tätigkeit weiter ausführen kann, nur auf andere Weise. Teil der Partnerschaft kann es sein, gemeinsam neue oder anderen Wege zu finden, Tätigkeiten anzugehen, die nicht mehr wie bisher erledigt werden können.

Und schließlich ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass Teil der „gemeinsamen Erfahrung“ der Pflegepartnerschaft ist, zu besprechen, wie es läuft und wie es verbessert werden kann. Man kann leicht in die Falle tappen, sich nur auf die täglichen Bedürfnisse zu konzentrieren, während die eigentliche Beziehung aus dem Ruder läuft. Nimm dir die Zeit, über die Beziehung nachzudenken und mit deinem Partner darüber zu sprechen.

Bei einigen Menschen mit MS können kognitive Schwierigkeiten die Kommunikation in Beziehungen weiter verkomplizieren. Kognitive Veränderungen treten bei 40 bis 65 % der Menschen mit MS auf1 und können Bereiche betreffen, die wichtig für die Konversation sind, wie die Denkgeschwindigkeit, die Fähigkeit zu planen und zu organisieren und die Fähigkeit, die richtigen Worte zu finden.

Wir hören immer wieder von Menschen mit MS, dass es zu den frustrierenden Herausforderungen in Beziehungen gehört, in Gesprächen mitzuhalten (aufgrund der veränderten Denkgeschwindigkeit), einen Gedanken oder eine Lösung für ein Problem klar zu vermitteln (aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Planen und Organisieren) oder die richtigen Worte zu finden, um ein bestimmtes Bedürfnis zu beschreiben (aufgrund von Wortfindungsschwierigkeiten). Es ist sehr wichtig für Menschen mit MS, Strategien für den Umgang mit diesen Schwierigkeiten zu lernen:

Einige Beispiele:

  1. Bitte um mehr Zeit. Die meisten Menschen mit MS haben das Gefühl, dass sie so an Gesprächen teilnehmen können, wie sie möchten, sofern sie genügend Zeit haben. Wenn der Gesprächspartner nicht mehr Zeit braucht, bemerkt er vielleicht nicht, dass er langsamer machen muss. Deshalb ist es wichtig, dass du um mehr Zeit bittest, wenn du diese brauchst. Das kann so aussehen, dass du äußerst, dass du mehr Zeit brauchst („darüber muss ich einen Moment nachdenken“), oder kann eine spezifischere Bitte erfordern („ich komme da nicht mit, ich brauche einen Moment, um meine Gedanken zu ordnen“).
  2. Nutze einen Stift und Papier, um deine Gedanken zu ordnen. Schreib vor einem wichtigen Gespräch – über ein Problem, mit einem Arzt oder über deine Finanzen – die wesentlichen Punkte auf. Das kann helfen, die Gedanken zu ordnen, und gibt dir eine Referenz, um sicherzustellen, dass du alle Punkte angesprochen hast, die du besprechen möchtest.

Tipps für Pflegepartner

Wie in diesem Abschnitt erläutert, kann eine Pflegepartnerschaft eine komplizierte Beziehung sein. So wie wir spezifische Strategien für die Person mit MS vorgeschlagen haben, haben wir auch einige Vorschläge für den Pflegepartner:

  1. Frag, wie genau du helfen kannst. Wir haben in diesem Abschnitt erläutert, dass ein häufiger „Fehler“ bei der Kommunikation über MS die Tendenz ist, ein Problem zu beschreiben, ohne um spezifische Hilfe zu bitten. Das zwingt dich als Pflegepartner zu raten, was gebraucht wird. Wir haben angeregt, dass Menschen mit MS spezifischer um Hilfe bitten sollen. Du kannst dabei helfen, indem du fragst, welche Hilfe gewünscht wird, wenn die Person mit MS das nicht selbst äußert.
  2. Sorge für dich. Pflegepartner einer Person mit MS zu sein, ist eher ein Marathon als ein Sprint. Die Versuchung liegt nahe, sich völlig der Person mit MS zu widmen, insbesondere wenn diese dir sehr nahe steht, aber es ist wichtig, dass du auch für dich sorgst. Es mag sich egoistisch anfühlen, wenn du dir Zeit für dich nimmst, aber letztendlich ermöglicht es dir, ein besserer Pflegepartner zu sein.
  3. Pflegepartner zu sein bedeutet nicht, dass du alles tun musst; vielmehr kann Teil deiner Rolle sein, der Person mit MS zu helfen, das zu tun, was sie tun kann. Pflegepartner neigen oft aus Hilfsbereitschaft dazu, Menschen mit MS Tätigkeiten abzunehmen. Manchmal umfasst das auch Dinge, die die Person mit MS eigentlich tun könnte oder lernen könnte, auf andere Weise zu tun. Wenn das der Fall ist, kann das Abnehmen der Tätigkeit ungewollt zu ihrer Beeinträchtigung beitragen. Daher ist es wichtig, den richtigen Mittelweg zu finden und zu helfen, wo es nötig ist, aber bei anderen Tätigkeiten den Anpassungsprozess zu unterstützen.

Entwickelt von der Universität Michigan, zur Verfügung gestellt von Janssen-Cilag GmbH

Referenzen

Grunze A, Mago R, Grunze H. Nebenwirkungen von Psychopharmaka: Tipps für die Praxis
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