Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf
Ein gutes Verhältnis zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patient:in ist enorm wichtig für die Behandlung.
Der frühzeitige Beginn einer verlaufsmodifizierenden Therapie ist das A und O.
Es gibt eine Reihe an krankheitsbezogenen, therapiebezogenen, aber auch persönlichen Faktoren, die bei der Therapieentscheidung zu beachten sind.
Die Diagnose MS geht in der Regel mit einer Überforderung und Angst einher, weiß Prof. Meuth. Er rät deswegen, bei der Diagnosestellung mit der positiven Nachricht auf Patient:innen zuzugehen, dass es inzwischen eine Vielzahl an Therapieoptionen gibt. Diese verfolgen das Ziel, Betroffene darin zu unterstützen, ihre individuellen Lebenspläne weiter verfolgen zu können. Eines möchte Prof. Meuth besonders betonen: Ein gutes Verhältnis zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patient:in ist enorm wichtig für die Behandlung. Es ist wichtig auf die Patient:innen einzugehen. Seine Erfahrung zeigt auch: wurde eine Therapieentscheidung gemeinsam getroffen, fällt es Patient:innen leichter bei der Therapie zu bleiben.
Die 3 Säulen der MS-Therapie nehmen drei grundlegende Behandlungsprinzipien in den Fokus.
Die erste Säule ist die Therapie der akuten Schübe – das heißt, die Therapie mit Kortison. Im Rahmen eines Schubs kommt es zu Verletzungen im zentralen Nervensystem (ZNS) und auch zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Das kann mit Kortison in vielen Fällen wieder umgekehrt werden und helfen, verlorengegangene Funktionen, wie z.B. die Sehfähigkeit, wieder herzustellen.
Ist die Diagnose MS gestellt und der akute Schub behandelt, stellt sich die Frage: Wie kriegen wir es hin, dass im weiteren Erkrankungsverlauf möglichst wenig Schübe auftreten? Hier kommt die verlaufsmodifizierende Therapie als zweite Säule zum Tragen.
Der frühzeitige Beginn einer verlaufsmodifizierenden Therapie ist das A und O. Sobald im ZNS ein Schaden entstanden ist, bestehen nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeiten, diesen umzukehren. Das heißt also, unter Umständen kann ein Schubereignis noch korrigiert werden, aber wenn aus dem Schubereignis etwas übrigbleibt, ist das das „neue Normal“, auf das sich unter Umständen der nächste Schub aufsetzt. Je früher am Beginn der Erkrankung, also idealerweise nach dem ersten Schub, mit einer verlaufsmodifizierenden Therapie gestartet wird, umso besser wird das Endergebnis für den Betroffenen sein.
In den vergangenen Jahren wurden nicht nur die Medikamententypen, sondern auch die Anwendungsformen weiterentwickelt. Inzwischen gibt es Therapien, die in Spritzenform, als Infusionen oder auch als Tabletten oder Kapseln verabreicht werden.
Behandler haben außerdem die Möglichkeit, sich daran zu orientieren, mit welchen potenziellen Nebenwirkungen Patient:innen eher zurechtkommen.
Diese und weitere Aspekte helfen Behandlern, Patientenbedürfnissen besser entgegenkommen zu können.
Es ist zu betonen, dass es eine Reihe an krankheitsbezogenen, therapiebezogenen und persönlichen Faktoren gibt, die bei der Therapieentscheidung zu beachten sind.
Prof. Meuth konnte über die Jahre seiner Laufbahn beobachten, dass mit der Zunahme an Therapieoptionen ebenfalls die Ansprüche an Therapieziele wuchsen: „Vor 20 Jahren war man für alles dankbar, was die Krankheitsaktivität reduzierte und vielleicht weniger Schübe zuließ. Man war mit Schubratenreduktionen von 30% schon durchaus zufrieden. Mit Zunahme der Optionen sind diese Ziele gewachsen, mit 30% geben wir uns nicht mehr zufrieden. Jetzt wollen wir eine Schubratenreduktion von z.B. 80%.“
Die dritte Säule ist die symptomatische Therapie. Darunter versteht man eine Therapieunterstützung, die nicht darauf abzielt, den Verlauf und/oder die Anzahl der Schübe zu modifizieren, sondern die versucht bestimmte aufgetretene Symptome möglichst zurückzudrängen und den Funktionszustand zu verbessern. Darunter gehören neben Medikamenten auch Physiotherapie, Ergotherapie, unter Umständen eine Psychotherapie, wenn es um Krankheitsverarbeitung geht, aber auch eine Logopädie und eben komplementäre Methoden.
Diese drei Säulen helfen Behandlern, Patient:innen möglichst gut zu versorgen.