Geschichte von Horst

Portrait von Horst


Ich bin

Horst


Alter: 59
Beruf: Architekt
Das ist mir wichtig: Menschen mit Depressionen sind nicht einfach „nur traurig“. Eine Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die einen erheblichen Einschnitt in das Leben der Betroffenen darstellt.
Das wünsche ich mir von meinen Mitmenschen: Ratschläge sind oft gut gemeint, belasten Menschen mit einer Depression jedoch manchmal zusätzlich. Nicht-Betroffene, die sich wirklich dafür interessieren, finden heute genügend Informationsmöglichkeiten, wie sie Betroffene unterstützen können.
Das hat mir geholfen: Ich habe den Job gewechselt und mein Leben nach meinen Bedürfnissen komplett umgestaltet. Wichtig ist mir dabei, Überlastungen schnell zu erkennen und mir die Zeit zu nehmen, die ich zur Erholung brauche. Sinnstiftende Erfüllung finde ich auch im Rahmen meiner ehrenamtlichen Arbeit.

„Mein Job als Bauleiter war für mich viele Jahre der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens. Als Perfektionist war mein Kopf rund um die Uhr mit der Arbeit beschäftigt. Ich konnte schlecht Nein sagen und vergaß dabei mich selbst. Die wenigen sozialen Kontakte außerhalb der Arbeit stellte ich nach und nach ein. Um dem wachsenden Druck und dem Stress standzuhalten, begann ich zu trinken, bis es Ende 2014 zum unvermeidlichen Kollaps kam.“

Jahrelang stand Horst unter einem großen Leistungsdruck. Er lebte nur noch für seinen Job, in dem er viel Verantwortung trug und der ihm alles abverlangte. Im Lauf der Zeit kamen immer mehr Projekte hinzu, die mit immer weniger Leuten umgesetzt werden mussten. Die Arbeitsbelastung nahm überhand. Um seine Sorgen zu vergessen, begann Horst, exzessiv Alkohol zu trinken. Als sein Arbeitgeber ihm eines Tages mitteilte, dass er entlassen werde, wenn er sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekomme, brach bei Horst alles zusammen. Er isolierte sich für viele Wochen, reagierte auf keine Anrufe mehr und entwickelte Suizidgedanken. Sein Leben schien ihm sinnlos.

„Geholfen hat mir in diesem Moment das Gespräch mit einer Freundin, der ich mich letztendlich anvertrauen konnte. Mir wurde klar, dass ich ernsthaft Hilfe brauchte. Ich ging zunächst zu meiner Hausärztin. Als diese mir mitteilte, dass ich eine Depression hätte, konnte ich das kaum glauben. Sie verschrieb mir erstmals Tabletten und gab mir eine Liste mit Therapeuten. Ich fühlte mich durch sie das erste Mal seit langem verstanden und da wusste ich, das Leben geht weiter. Ich verstand, dass mein Leben nicht zu Ende ist, wenn ich diesen Job nicht mehr habe, sondern, dass dies die Chance auf ein besseres und gesünderes Leben ist.“

Bis es Horst besser ging, sollte es aber noch eine Weile dauern. Nachdem der Druck durch die Arbeitsbelastung weggefallen war, schaffte er es zwar problemlos, mit dem Alkoholkonsum aufzuhören, er litt aber weiter unter Symptomen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit und Einschränkung weiterer kognitiver Fähigkeiten. Hinzu kamen immer wieder Panikattacken. Dennoch glaubte er, dass er nach ein paar Monaten wieder arbeiten gehen könnte und bald wieder der Alte sei. Der Genesungsprozess nahm jedoch mehr Zeit in Anspruch. Heute ist er froh darüber, diese Zeit gehabt zu haben. Neben der Unterstützung durch seine Hausärztin fand Horst Hilfe in der Psychiatrischen Institutsambulanz vor Ort, wohin er regelmäßig zur Therapie ging. Später verbrachte er einige Wochen in einer Reha-Klinik. Der Schritt in die wirkliche Wiedereingliederung wurde ihm durch ein behutsames Heranführen an tägliche und berufliche Aufgaben in einem beruflichen Trainingszentrum (BTZ) ermöglicht. Dies nahm insgesamt fast ein Jahr in Anspruch, hat sich für Horst aber mehr als gelohnt.

„Der Aufenthalt in der Klinik und der Austausch mit anderen Betroffenen taten mir gut. Da waren Menschen, denen ich nichts erklären musste, die einfach verstanden, wie es mir geht. All dies half mir dabei, die Krankheit besser zu bewältigen und zu verstehen.“

Horst ist inzwischen ins Arbeitsleben zurückgekehrt. In seinem heutigen Job kann er offen über seine Depression reden und seinen Arbeitsalltag so gestalten, dass es für in passt. Er hat gelernt, achtsam mit sich umzugehen und auf Warnsignale sofort zu reagieren. Erfüllung findet er vor allem in Begegnungen mit anderen Menschen und in seinen vielfältigen ehrenamtlichen Engagements, die er sich so einteilt, dass er sich nicht überlastet.

Horst im Fotostudio

„Es klingt vielleicht komisch, aber für mich bedeutete die Depression eine große Chance, noch mal ein neues Leben anzufangen. Ich habe viel über mich gelernt und setze meine Prioritäten heute völlig anders. Früher hat mich das Leben bestimmt, heute bestimme ich das Leben. Ich gehe offen mit meiner Erkrankung um – und das tut gut.“

Weitere Erfahrungsberichte von Betroffenen

Portrait von Michael B
Michael

„Schon als Kind war ich sehr verschlossen und zog mich viel zurück. Probleme machte ich meist mit mir selbst aus. Rückblickend zeigten sich möglicherweise schon damals erste Anzeichen einer Depression. Die offizielle Diagnose erhielt ich erst mit 37 Jahren.“

Portrait von Francesca
Francesca

„Als Kind habe ich mich viel allein gefühlt. Ich musste schon früh selbstständig sein, weil meine Mutter als Alleinerziehende sehr viel arbeiten musste, damit wir über die Runden kamen. Mit 14 habe ich das erste Mal an Suizid gedacht. Meine Mutter fand jedoch den Abschiedsbrief. Das hat mich damals gerettet.“​

Portrait von Annika
Annika

„Depressionen gehören seit meiner Jugend zu meinem Alltag. Sie sind zwar nicht immer so ausgeprägt, aber sie sind immer da. Rückblickend hätte ich viel früher mit einer Behandlung beginnen müssen – aber zum damaligen Zeitpunkt haben es weder ich noch mein Umfeld besser gewusst.“​

Referenzen

Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft (dkfz): Psychische Faktoren als Ursache für Krebs - was hält die Bevölkerung von dieser Theorie? (Stand 29.08.2017). Abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2017/dkfz-pm-17-43-Psychische-Faktoren-als-Ursache-fuer-Krebs.php. Letzter Zugriff am 15.07.2022
Onko Internetportal: Professionelle psychologische Betreuung bei einer Krebserkrankung (Stand: 23.08.2018). Abrufbar unter: https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebs-und-psyche/professionelle-psychologische-betreuung-bei-einer-krebserkrankung.html. Letzter Zugriff am 17.12.2019
Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland, Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut für 2017/2018, Robert Koch-Institut (Hrsg). Berlin, 2021. Abrufbar unter: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2021/krebs_in_deutschland_2021.pdf?__blob=publicationFile. Letzter Zugriff am 15.07.2022
Leitlinienprogramm Onkologie (AWMF, Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Stiftung Deutsche Krebshilfe): Patientenleitlinie – Psychoonkologie, Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige. Berlin, 2016. Abrufbar unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-051OL.html. Letzter Zugriff am 17.12.2019
Schulz H et al.: Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme und Analyse, Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (2018). Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Hrsg). Abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/PsoViD_Gutachten_BMG_19_02_14_gender.pdf. Letzter Zugriff am 17.12.2019
Starostzik C: Depressionen, Mythos Krebsrisiko? Ärzte Zeitung Online (Hrsg). Veröffentlicht am: 04.11.2013. Abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Mythos-Krebsrisiko-268337.html. Letzter Zugriff am 17.12.2019.
Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft (dkfz): Psychische Einflüsse auf die Krebsentstehung. Gibt es die Krebspersönlichkeit? Macht Unglück krank? (Stand: 02.10.2019). Abrufbar unter: https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/psyche-und-krebsrisiko.php#inhalt3. Letzter Zugriff am 17.12.2019.
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