Ich bin
Alter: 44
Beruf: Refund Assistant
Mein Motto: Mit einem Lächeln ins Ziel
Das wünsche ich mir von meinen Mitmenschen: Einen sensibleren Umgang mit den individuellen Bedürfnissen Betroffener.
Das hat mir geholfen: Sport und Bewegung waren schon immer meine Leidenschaft und sind ein wichtiger Ausgleich in meinem Leben sowie Teil meiner Krankheitsbewältigung.
Als Erwachsener stellte Michael fest, dass er sich mehr und mehr durch den Alltag quälte. Er funktionierte zwar, fühlte sich aber oft leer und emotionslos, zu allem musste er sich aufraffen. Mit der Zeit ging es ihm immer schlechter. Akut wurde die Problematik, als er – inzwischen verheiratet und Vater zweier kleiner Kinder – eines Morgens vor sieben Jahren den Entschluss fasste, an diesem Abend nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Da ihn dieser Gedanke selbst erschreckte, ging er auf dem Weg zur Arbeit bei seiner Hausärztin vorbei, die sofort jegliche Hilfe in die Wege leitete. Seitdem wird Michael medikamentös und psychotherapeutisch behandelt.
„Inzwischen habe ich akzeptiert, dass ich krank bin. Die Menschen in meinem Umfeld – vor allem meine neue Partnerin, mit der ich inzwischen zusammenlebe, meine Kinder und meine Kollegen – wissen Bescheid. Sie wissen, wie ich ticke und machen mich darauf aufmerksam, wenn sie Veränderungen an mir bemerken. Das habe ich mit ihnen so abgesprochen.“
Michael ist nicht von Anfang an so offen mit seiner Erkrankung umgegangen. Zu sehr belastete ihn das Stigma, das einer psychischen Erkrankung anhaftet. Außerdem wollte er andere nicht mit seinen Problemen belasten. Mittlerweile hat sich seine Haltung dazu geändert und er hat keine Scheu mehr, sich zu seiner Erkrankung zu bekennen. Mit dieser Einstellung hat Michael gute Erfahrungen gemacht, denn es erleichtert sowohl ihm als auch seinen Mitmenschen den Umgang in Situationen, in denen es ihm nicht gut geht. Es freut ihn besonders, wenn er anderen durch seine Offenheit helfen kann. So kam es schon vor, dass sich Menschen in seinem Umfeld durch Gespräche mit ihm dazu ermutigt fühlten, ebenfalls Hilfe zu suchen.
„Ich möchte Menschen, die mit ähnlichen Symptomen zu kämpfen haben, den Anstoß geben, über ihren Schatten zu springen und zum Arzt zu gehen. Es ist wichtig, sich frühzeitig helfen zu lassen, denn die Hilfe ist da.“
Obwohl heute die besseren Tage überwiegen, gibt es immer mal wieder solche, an denen es Michael schlechter geht. Dann kann er auf sein Umfeld zählen. Seine Familie und seine Kolleg:innen zeigen in diesen Situationen vollstes Verständnis und akzeptieren ihn so, wie er ist. Michael nimmt weiterhin Medikamente und wird von seiner Hausärztin behandelt, die sich sehr gut mit dem Thema Depressionen auskennt. Eine große Hilfe ist ihm auch die Leidenschaft für den Sport. Als Langstreckenläufer trainiert Michael in seiner Freizeit seit Jahren in einer Trainingsgruppe und nimmt auch an Wettkämpfen teil. Aufgrund einer Verletzung muss er derzeit pausieren. Sobald er wieder fit ist, wird er die Vorbereitung auf die nächsten sportlichen Ziele fortsetzen. Auf seiner Bucket List stehen ein Triathlon, ein Halbmarathon sowie – die Königsdisziplin – ein 100-km-Lauf.
„Ich wünsche mir, dass sich die Gesellschaft mehr mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen auseinandersetzt. Menschen mit Depressionen sind ein Teil der Gesellschaft. Auch wenn man ihnen die Erkrankung nicht unbedingt ansieht, ist sie da und sie verursacht großes Leid. Aus Angst vor Stigmatisierung suchen jedoch viele Betroffene zu spät Hilfe. Das darf nicht passieren.“
„Als Kind habe ich mich viel allein gefühlt. Ich musste schon früh selbstständig sein, weil meine Mutter als Alleinerziehende sehr viel arbeiten musste, damit wir über die Runden kamen. Mit 14 habe ich das erste Mal an Suizid gedacht. Meine Mutter fand jedoch den Abschiedsbrief. Das hat mich damals gerettet.“
„Musik hat in meinem Leben schon immer eine sehr große Rolle gespielt. Bereits mit 15 saß ich am Klavier und sang das von Franz Schubert vertonte Goethe-Gedicht „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide“. Hier äußerte sich schon früh eine gewisse Veranlagung zur Melancholie. Viele Jahre später wurden bei mir Depressionen diagnostiziert.“
„Mein Job als Bauleiter war für mich viele Jahre der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens. Als Perfektionist war mein Kopf rund um die Uhr mit der Arbeit beschäftigt. Ich konnte schlecht Nein sagen und vergaß dabei mich selbst. Die wenigen sozialen Kontakte außerhalb der Arbeit stellte ich nach und nach ein. Um dem wachsenden Druck und dem Stress standzuhalten, begann ich zu trinken, bis es Ende 2014 zum unvermeidlichen Kollaps kam.“