Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die häufigste Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Wird ADHS nicht erkannt oder falsch behandelt, kann dies ernste Folgen für die Betroffenen haben. Darum ist es wichtig, dass Betroffene und Angehörige ein weitreichendes Verständnis von ADHS entwickelt.
ADHS wirft viele
Fragen auf: Was ist ADHS? Was sind die Ursachen? Wie soll man damit
umgehen? Viele Eltern, aber auch Lehrer und sogar Ärzte beklagen, dass
es oft sehr verwirrend ist, was in der Öffentlichkeit über ADHS gesagt,
geschrieben und berichtet wird. Das führt zu
Verunsicherung und Stigmatisierung, die den Betroffenen das Leben mit
ADHS nicht leichter machen. Mit seinem Internetangebot Mehr vom Tag will
das pharmazeutische Unternehmen Janssen-Cilag GmbH ein seriöser
Ansprechpartner für Ratsuchende sein. Kompetent dargestellte und
wissenschaftlich belegte Informationen sollen Hilfestellungen im
täglichen Umgang mit ADHS bieten und dazu beitragen, dass die
öffentliche Diskussion über ADHS sachlicher wird.
Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass sie die Möglichkeit haben sich altersgerecht zu entwickeln und ihre Potentiale ausschöpfen zu können. Hierzu
ist es wichtig, dass auch die Menschen im Umfeld der Betroffenen wissen,
wie sie mit ADHS umgehen müssen. Dies erfordert sowohl Verständnis als
auch Sachverstand.
Die Abkürzung ADHS steht für eine sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Dahinter verbirgt sich eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Man nimmt an, dass etwa 2 bis 6% aller Kinder und Jugendlichen unter einer Aufmerksamkeitsstörung und an motorischer Unruhe leiden. Charakteristisch für die Erkrankung sind folgende drei Hauptsymptome:
Die einzelnen Symptome können jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein und müssen nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Der Oberbegriff ADHS umschreibt auch die Ausprägung der Erkrankung, bei der keine hyperaktiven Verhaltensweisen beobachtet werden, sondern nur Aufmerksamkeitsstörungen vorliegen. Zuweilen stößt man in Deutschland auch auf die englischsprachige Abkürzung ADHS für Attention Deficit Hyperactivity Disorder.
Allerdings leidet nicht jedes unruhige oder unaufmerksame Kind gleich unter ADHS. Ob wirklich eine Erkrankung vorliegt, kann nur ein erfahrener Kinderarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater nach intensiven Untersuchungen des Kindes feststellen. Im Allgemeinen aber gilt: Die Auffälligkeiten müssen über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate) und in verschiedenen Lebensbereichen des Kindes (Familie, Schule, Freizeit) auftreten, damit man wirklich von ADHS sprechen kann.
Bleibt ADHS unbehandelt, kann das ernsthafte Folgen für das Kind und sein gesamtes familiäres Umfeld nach sich ziehen, wie z.B. in der Schule oder in der Familie. Auch wenn ADHS nicht grundsätzlich heilbar ist, so kann den betroffenen Kindern durch intensive Betreuung und eine gezielte Behandlung der Symptome eine weitgehend normale soziale und schulische Entwicklung ermöglicht werden. Die Behandlung von ADHS stützt sich heute auf mehrere Säulen: Individuell kombiniert werden nach Aufklärung und Beratung aller Betroffenen, eine Psychotherapie, z. B. Verhaltenstherapie des Kindes, Eltern- und Lehrertraining sowie eine medikamentöse Therapie.
In der öffentlichen Diskussion ist im Zusammenhang mit ADHS häufig auch von der "Modediagnose" oder "Zivilisationskrankheit" die Rede. Angebliche Ursachen seien falsche Erziehung, hoher Konsum digitaler Medien, Computerspiele, zu wenig Bewegung und vieles mehr.
ADHS ist allerdings kein Phänomen unserer modernen Zeit, sondern eine Erkrankung mit Vergangenheit. Seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigt sich die Wissenschaft intensiv mit der Erforschung von Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Obwohl die Entstehungsursachen immer noch nicht vollständig geklärt werden konnten, weiß man heute, dass eine Funktionsstörung im Gehirn für die Verhaltensauffälligkeiten verantwortlich ist. Bei ADHS-Kindern ist in bestimmten Hirnabschnitten das sensible System der Botenstoffe, die Reize von einer Nervenzelle zur nächsten weiterleiten, ins Ungleichgewicht geraten. Dadurch werden ankommende Reize nicht ausreichend gefiltert, so dass die Kinder einer andauernden Reizüberflutung ausgesetzt sind. Die Folgen: hyperaktive, unaufmerksame und impulsive Verhaltensauffälligkeiten.
Da ADHS oft familiär gehäuft auftritt, scheinen genetische Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von ADHS zu spielen. Zwar können sich ungünstige Bedingungen, unter denen die Kinder aufwachsen, wie z.B. häufig wechselnde Bezugspersonen, fehlende Alltagstrukturen sowie Vernachlässigung, verstärkend auf die Verhaltensauffälligkeiten auswirken, jedoch weisen Experten darauf hin, dass negative Umweltfaktoren niemals alleine ADHS verursachen können.,,
Laut Studie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) haben 4,4 % der Kinder und Jugendlichen eine ärztlich oder von einem Psychologen diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. In Deutschland leben also etwa 500.000 bis 600.000 Kinder im Schulalter mit einer ADHS. Experten gehen zusätzlich von einer hohen Zahl unerkannter ADHS-Fälle aus, da insbesondere die reine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität über längere Zeit unauffällig bleibt. ADHS tritt nicht nur in den sogenannten Zivilisationsländern auf, sondern wird weltweit in allen Kulturen beobachtet.
Im Vergleich zu Mädchen leiden Jungen drei bis vier Mal häufiger an ADHS. Unterschiede der Geschlechter zeigen sich auch in der Ausprägung der Erkrankung. Bei Jungen findet man häufiger die Variante des hyperaktiv-impulsiven Typs. Mädchen sind eher von der unaufmerksamen und verträumten Variante ohne hyperaktive Verhaltensauffälligkeiten betroffen.
Entgegen bisheriger Annahmen verschwinden die Verhaltensstörungen einer ADHS in vielen Fällen nicht mit der Pubertät, sondern deutliche Anzeichen der Erkrankung können sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Unzureichende Konzentrationsfähigkeit, mangelnde Selbstorganisation und Probleme mit der Selbstbeherrschung in emotionalen Stresssituationen können sichtbare Symptome von ADHS bei Erwachsenen sein. ADHS kann für viele eine dauerhafte, oft lebenslange Erkrankung bleiben.
Bei sehr kleinen Kindern wird mit der Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung noch sehr vorsichtig umgegangen. Manche ADHS-Kinder sind jedoch schon im Säuglingsalter auffällig. Viele Eltern berichten rückblickend von sogenannten Schreibabys mit Ess- und Schlafproblemen sowie einem überdurchschnittlichen Bewegungsdrang. Sind die Kinder dann im Kindergartenalter, fallen oft schon typische ADHS-Verhaltensstörungen auf. Durch zum Beispiel eine geringe Ausdauer beim Spielen, ungeduldiges und eventuell auch aggressives Verhalten, können die Kinder dann leicht zu Außenseitern werden. Auch sind viele ADHS-Kinder in diesem Alter durch ihr sprunghaftes und ungeschicktes Handeln öfter in Unfälle verwickelt als ihre gesunden Altersgenossen. Die Diagnose ADHS wird häufig erst nach dem Schuleintritt gestellt, da die Verhaltensstörungen dann oft erst deutlich zu Tage treten. Denn die notwendige Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum, die Ausdauer beim Lösen von Aufgaben und das lange Stillsitzen in der Schule – dies ist für viele Kinder mit ADHS kaum zu bewältigen. Um zweifelsfrei eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung feststellen zu können, müssen die Verhaltensauffälligkeiten bereits vor dem sechsten Lebensjahr aufgetreten sein, mindestens sechs Monate andauern und sich auch von allein nicht bessern.
Vielfach treten bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS noch weitere psychiatrische Störungen auf. Zu den häufigsten dieser Parallelerkrankungen gehören:
Es ist wichtig, im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen diese Begleiterkrankungen zu erkennen und gegebenenfalls gesondert zu behandeln.
Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass die Verhaltensstörungen von ADHS-Kindern durch eine neurobiologische Funktionsstörung im Gehirn ausgelöst werden. In den Gehirnabschnitten, die für die Konzentration, Wahrnehmung und Impulskontrolle zuständig sind, ist das notwendige Gleichgewicht wichtiger Botenstoffe gestört. Diese sogenannten Neurotransmitter sind maßgeblich für die Informationsverarbeitung ankommender Reize verantwortlich.
Die Lebensbedingungen der Kinder mit ADHS können sich verstärkend oder bessernd auf die Verhaltensauffälligkeiten auswirken. Ein ungünstiges Lebensumfeld, z. B. fehlende Zuwendung, ein gestörtes Familiengefüge und fehlende Strukturierung des Alltags können Einfluss darauf nehmen, wie stark sich die Störungen ausprägen. Solche ungünstigen Umweltfaktoren können jedoch niemals allein eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung auslösen. ADHS entsteht nur, wenn auch entsprechende Anlagen vorliegen.
Als weitere begünstigende Risikofaktoren für ADHS gelten: Alkohol, Rauchen und andere Drogen in der Schwangerschaft, Probleme bei der Geburt und Infektionen im Gehirn. Teilweise wird auch vermutet, dass Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten ADHS verursachen könnten. Nach den gegenwärtigen wissenschaftlichen Untersuchungen haben Nahrungsbestandteile (z. B. Zucker, Phosphate, Milcheiweiß und Nahrungsmittelzusatzstoffe) jedoch keinen nachweislichen Einfluss auf die Störung. Lediglich bei einer sehr kleinen Gruppe von Patienten scheint eine Diät eine Besserung der Symptome zu bewirken.
Studien weisen darauf hin, dass erbliche Faktoren bei ADHS eine wichtige
Rolle spielen. So wurde in Untersuchungen mit Zwillingen und
Adoptivkindern im Vergleich zu leiblichen Kindern festgestellt, dass
etwa die Hälfte aller Eltern, bei welchen ebenfalls ADHS diagnostiziert wurde, ein Kind mit
dieser Erkrankung haben. 10% bis 35 % der Kinder haben einen
Verwandten ersten Grades, der ebenfalls an der Störung leidet.,
Die drei Hauptsymptome einer ADHS - Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität - können unterschiedlich ausgeprägt sein und müssen nicht alle gleichzeitig auftreten. Damit wirklich von einer ADHS ausgegangen werden kann, müssen die Symptome über einen längeren Zeitraum, wenigstens über sechs Monate, auftreten und schon im Vorschulalter beobachtet worden sein.
Eltern von ADHS-Kindern berichten häufig, dass sie Verhaltensauffälligkeiten in der Entwicklung ihrer Kinder schon in sehr frühem Alter beobachtet haben. Diese Tatsache spricht umso mehr dafür, dass ADHS nicht die Folge falscher Erziehung ist, sondern eine Erkrankung, für die eine erblich bedingte Neigung vorhanden sein muss.
Im Folgenden sind Verhaltensauffälligkeiten von ADHS-Kindern in den verschiedenen Entwicklungsabschnitten dargestellt. Zur Erinnerung: Diese Auffälligkeiten können individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und müssen nicht in jedem Fall zwingend auftreten.
Es wird vermutet, dass Kinder, bei denen später ein ADHS diagnostiziert wird, schon im Säuglingsalter als Schreibabys auffallen können – mit ungewöhnlich lang andauernden Schreiphasen. Vielfach wird von motorischer Unruhe, Ess- und Schlafstörungen, Ablehnung eines Körperkontakts und Unausgeglichenheit der Säuglinge berichtet.
Die Kinder fallen durch ihren rastlosen Aktivitätsdrang auf. Geringe Ausdauer beim Spielen, trotziges Verhalten, motorische Ungeschicklichkeit und in der Folge häufige Verletzungen und Unfälle. Bereits im Kleinkindalter kann das beschriebene Verhalten dazu führen, dass ein Kind mit ADHS schnell auf Ablehnung bei gleichaltrigen Spielkameraden stößt und wenig stabile Freundschaften entwickeln kann.
Besonders deutlich zeigen sich die ADHS-typischen Verhaltensstörungen oft erst mit Schulbeginn. Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung können selten lange still sitzen. Sie lassen sich schnell ablenken, sind viel in Bewegung und fallen durch häufiges Stören des Unterrichts auf. Charakteristisch sind auch eine niedrige Frustrationsschwelle, schnelle Reizbarkeit und die Unfähigkeit, sich länger auf Aufgaben zu konzentrieren. So kommt es trotz normaler Intelligenz häufig zu Lern- und Leistungsproblemen. Viele Kinder leiden parallel noch unter weiteren Lernstörungen wie Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche, die die Schulprobleme verstärken. Damit kann nicht nur eine negative Schulkarriere eingeleitet werden, sondern die Kinder erfahren frustrierende, oft traumatische Erlebnisse, die sich auf das ganze weitere Leben auswirken können.
Um eine so komplexe Erkrankung wie ADHS diagnostizieren zu können, bedarf es entsprechender Fachkenntnisse und Erfahrung. Deshalb sollte die Diagnose nur von einem Spezialisten gestellt werden wie z.B. einem Kinder- und Jugendpsychiater oder einem erfahrenen Kinder- und Jugendarzt, der sich auf Diagnostik und Behandlung von ADHS spezialisiert hat.
Der Weg bis zur Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist ein langwieriger und umfangreicher Prozess, in den Informationen aus vielen verschiedenen Quellen einfließen müssen. Ziel der Diagnose ist es, jedem betroffenen Kind oder Jugendlichen die passende und angemessene Behandlung zukommen zu lassen.
Im Rahmen der Untersuchungen müssen möglichst viele Informationen aus dem gesamten Lebensumfeld des Kindes gesammelt werden. Wichtige Bausteine einer Untersuchung sind:
Für die Beurteilung von Verhaltensauffälligkeiten und ihren Verbesserungen oder Veränderungen nach Behandlungsbeginn werden spezielle ADHS-Fragebögen für Eltern, Lehrer, Erzieher und die Eigenbeurteilung von Jugendlichen mit ADHS eingesetzt.
Im Rahmen der Diagnosestellung ist es auch wichtig, andere Störungen und Erkrankungen wie Störungen im Sozialverhalten, Lernstörungen, Depressionen o.ä. zu erkennen, um sie gegebenenfalls gesondert behandeln zu können. Unter Umständen können Hochbegabung, Schilddrüsenstörungen und andere Erkrankungen zu ähnlichen Verhaltensauffälligkeiten wie bei einer ADHS führen. Welche ADHS-Erkrankungsformen wie unterschieden werden, ist festgelegt in internationalen Diagnoserichtlinien (z.B. die ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation WHO oder die DMS-5 der American Psychiatric Association). Die Diagnoserichtlinien unterscheiden sich zwar in den Störungsbezeichnungen, in den Untersuchungsschritten stimmen sie weitestgehend überein.
Eine sorgfältige und exakte Diagnose ist die erste Voraussetzung dafür, dass betroffene Kinder und ihre Familien die richtige Unterstützung und Behandlung erhalten. Dafür ist es notwendig und sinnvoll, Unterstützung durch einen Arzt, Psychologen und andere nichtärztliche Therapeuten zu suchen.
Ist die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert, stellt sich die Frage nach der Behandlung. Da die neurobiologischen Ursachen nicht beseitigt werden können, gilt es, die Symptome zu behandeln. Wichtigstes Ziel ist dabei, die unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Verhaltensauffälligkeiten des Kindes zu normalisieren.
In den vergangenen Jahren haben sich die Möglichkeiten, eine ADHS angemessen zu behandeln, deutlich verbessert. Internationale Studien und Richtlinien empfehlen eine Kombination verschiedener Behandlungsbausteine im Rahmen einer sogenannten multimodalen Therapie.
Die drei wichtigsten Säulen der ADHS-Behandlung sind:
Wie die Behandlung im einzelnen Fall aufgebaut wird, richtet sich vor allem danach, wie stark die Symptome ausgeprägt sind. Auch der Leidensdruck des Kindes oder Jugendlichen mit ADHS und seiner Familie spielt hier eine mitbestimmende Rolle.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie empfiehlt in ihren Leitlinien zur Behandlung der ADHS eine multimodale Therapie, die aus folgenden Elementen bestehen kann:
Welche der möglichen Behandlungsbausteine eingesetzt
und kombiniert werden, richtet sich nach dem Alter des Kindes, seiner
Lebenssituation und dem Schweregrad seiner Verhaltensauffälligkeiten.
Bei leichterer Ausprägung können verhaltenstherapeutische und
pädagogische Maßnahmen zunächst ausreichen. Sind die Symptome stärker
ausgeprägt oder bleibt der Erfolg verhaltenstherapeutischer und anderer
Maßnahmen aus, müssen unter Umständen frühzeitig Medikamente eingesetzt
werden.
Da die vielfältigen Symptome in ganz verschiedenen
Lebensbereichen auftreten, wird eine möglichst ausgewogene Kombination
einzelner Behandlungsmaßnahmen empfohlen. Wichtig ist aus Sicht des
Kindes und seines Lebensumfelds sowie für seine Entwicklung, dass es
optimal therapeutisch betreut ist.
Für den genauen Zeitpunkt, wann eine Behandlung einsetzen sollte, gibt es keine allgemeinen Angaben. Das richtet sich nach der individuellen Symptomausprägung und danach, welche Beeinträchtigungen die Betroffenen erleiden. Verhaltensauffälligkeiten sollten in jedem Fall frühzeitig behandelt werden, um Fehlentwicklungen für das Kind und daraus resultierende Folgen möglichst zu vermeiden. Die Entscheidung darüber, welche Therapie für welches Kind zu welchem Zeitpunkt angemessen ist, kann aber nur der behandelnde Arzt treffen.
Das Ziel einer Verhaltenstherapie ist, die hyperaktiven, impulsiven und unaufmerksamen Verhaltensmuster abzubauen und stattdessen neue Verhaltensweisen zu erlernen. Ob eine Verhaltenstherapie schon am Beginn einer ADHS-Behandlung stehen sollte, richtet sich danach, wie stark die Verhaltensstörungen ausgeprägt sind und ob begleitende psychische Störungen vorliegen, z. B. aggressives Trotzverhalten oder Depressionen. Die Kombination aus einer Verhaltenstherapie und einer medikamentösen Therapie zeigt häufig eine größere Wirkung als eine Verhaltenstherapie allein. Eine Verhaltenstherapie ist auch als alleinige Maßnahme möglich, insbesondere wenn die Eltern eine medikamentöse Therapie grundsätzlich ablehnen oder das Kind die Medikamente nicht verträgt bzw. nicht darauf anspricht.
Die Verhaltenstherapie kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden:
In der Informationsphase werden die Eltern und – je nach Alter – auch die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst umfassend über die ADHS, ihre Folgen und den Umgang mit der Erkrankung aufgeklärt. Während der nachfolgenden Bewertungsphase untersucht der Therapeut die familiären Verhaltensmuster zwischen Eltern und Geschwistern und versucht zu klären, inwieweit diese zu den Verhaltensstörungen des ADHS-Kindes beitragen könnten. In der sogenannten Trainingsphase werden dem Kind neue Denk- und Verhaltensweisen vermittelt. Dabei soll es lernen, sich selbst besser wahrzunehmen und sich seines eigenen Verhaltens bewusster zu werden, um sich dann besser steuern zu können. Diese individuelle Behandlung braucht eine intensive, motivierte und aktive Mitarbeit des Kindes. Je nach Entwicklungsstand sind verhaltenstherapeutische Schritte daher erst ab einem Alter von etwa 7 Jahren sinnvoll. Oft werden diese Maßnahmen durch eine Medikation begleitet. In der abschließenden Auswertungsphase werden die erreichten Verhaltensänderungen herausgearbeitet und eventuell neue Zielsetzungen vereinbart.
Die Schulung der Eltern gilt als wichtiger Bestandteil einer ADHS-Behandlung. Der tägliche Umgang mit ADHS ist auch für die Familie des betroffenen Kindes oder Jugendlichen eine Herausforderung, die insbesondere von den Eltern besondere Verhaltensstrategien abverlangt. Auch können die mit ADHS verbundenen Probleme zu negativen Reaktionen der Eltern führen – beispielsweise aggressives Verhalten oder Schuldgefühle. Das kann die Schwierigkeiten und die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder noch verstärken. Deshalb werden den Eltern im Rahmen eines Trainingsprogramms Strategien vermittelt, die im Umgang mit ADHS-Kindern helfen können. Einfache Verhaltensregeln können auch den ADHS-Kindern das Leben mit der Störung erleichtern. Dazu gehören z.B.:
Im elternzentrierten Training wird idealerweise mit beiden Hauptbezugspersonen (Mutter und Vater) zusammengearbeitet. Dazu werden problembelastete Verhaltensmuster für konkrete Situationen herausgefunden. So können für schwierige Situationen wie Hausaufgabenbetreuung oder Geschwisterstreitigkeiten gezielte Verhaltensstrategien trainiert werden, die den Umgang mit ADHS im Familienalltag erleichtern.
Eine so komplexe Erkrankung wie ADHS erfordert, dass alle, die zum sozialen Umfeld des Kindes gehören, zusammenarbeiten. Da die meisten ADHS-Kinder durch ihre Krankheit massive Schwierigkeiten in der Schule haben, sollten auch Lehrer und Erzieher mit in den Behandlungsprozess des Kindes einbezogen werden. Denn in der Schule geht es nicht allein darum, Lernziele zu erreichen, sondern auch um die soziale Entwicklung der ADHS-Kinder. Schultrainings können den betroffenen Kindern, aber auch ihren Lehrern und Mitschülern helfen, besser mit der Erkrankung ADHS im Schulalltag zurechtzukommen. Dazu werden Lehrer und Erzieher vorab genau über die Erkrankung, ihre Symptome und die Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt. Weiteres zentrales Element eines solchen schulzentrierten Trainings für Lehrer und Erzieher ist die Vorgabe klarer Verhaltensregeln gegenüber Kindern und Jugendlichen mit ADHS – so u.a. weniger Ablenkung, feste Strukturen vorgeben, klare Erwartungen formulieren sowie zeitnah und regelmäßig Rückmeldung geben. Um einen bestmöglichen Therapieerfolg zu erzielen, sollten regelmäßige Rücksprachen zwischen Lehrern, Eltern und dem behandelnden Arzt stattfinden.
Neben Psychotherapie und pädagogischen Maßnahmen ist die Behandlung mit Medikamenten wichtiger Bestandteil einer multimodalen Therapie der ADHS. Seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts werden sogenannte Stimulanzien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS eingesetzt.
Stimulanzien gehören heute zu den am besten
erforschten Substanzen bei Kindern überhaupt und werden als Mittel der
ersten Wahl zur medikamentösen ADHS-Behandlung eingesetzt. Die
Sicherheit und Wirksamkeit dieser Medikamente wurden in Hunderten von
Studien über die letzten Jahrzehnte untersucht. Als weitere
Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sind zudem ein Alpha-2-Agonist und ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer zugelassen.
Der behandelnde Kinderarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater entscheidet nach eingehender Untersuchung und nach Rücksprache mit den Eltern, ob eine Behandlung mit Medikamenten eingeleitet wird. Für diese Entscheidung wesentlich ist die Ausprägung der Symptome. Je nachdem, wie stark die Verhaltensstörungen den Alltag des ADHS-Kindes und seiner Familie beeinflussen und wie hoch der damit verbundene Leidensdruck ist, können Medikamente schon zu Beginn einer ADHS-Behandlung eingesetzt werden. Oder wenn Kinder auf psychotherapeutische oder pädagogische Maßnahmen nach einer bestimmten Zeit nicht ansprechen. Bei stark ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten werden andere Behandlungsmaßnahmen – so zum Beispiel eine Verhaltenstherapie – eventuell überhaupt erst durch Medikation möglich. Denn das Medikament kann die Symptome soweit verringern, dass das Kind einer therapeutischen Sitzung aufmerksam und konzentriert folgen kann. Bei jungen Kindern ist der Arzt eher vorsichtig mit dem Einsatz von Medikamenten und versucht zunächst, andere Behandlungsmöglichkeiten einzusetzen, beispielsweise pädagogische Maßnahmen. Erst wenn dies nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann eine Behandlung mit Medikamenten in Betracht gezogen werden.
Über die Wirkung der Stimulanzien bei ADHS-Symptomen ist bekannt, dass sie die Reizübertragung im zentralen Nervensystem beeinflussen. Um die einströmenden Umweltreize zu verarbeiten, wandern im Gehirn Botenstoffe von Nervenzelle zu Nervenzelle und leiten die Informationen weiter. Bei ADHS ist dieser Austausch von Botenstoffen gestört. Die Stimulanzien scheinen genau auf das Zusammenspiel dieser Botenstoffe im Gehirn einzuwirken. Es wird angenommen, dass sie die Konzentration des Botenstoffs Dopamin im Bereich zwischen den Nervenzellen erhöhen und dadurch einströmende Reize anscheinend besser gefiltert und verarbeitet werden können.
Durch die Medikamente gelingt es, die ADHS-typischen Verhaltensstörungen soweit zu reduzieren,
dass die betroffenen Kinder sich altersentsprechend verhalten und ihre
Fähigkeiten besser entfalten können. In der Regel stellen Stimulanzien bei richtiger Anwendung die Kinder
nicht ruhig, bewirken keine Charakterveränderungen und lassen auch
positive Eigenschaften der Kinder, wie zum Beispiel eine besondere
kreative Gabe, nicht verschwinden.
Der Einsatz von Medikamenten wird vom behandelnden Arzt überwacht, der auch das Vorgehen mit den Eltern bespricht. Wie bei anderen Medikamenten auch, können bei der Behandlung mit Stimulanzien Nebenwirkungen auftreten. Beobachtet werden z. B. Kopf- oder Bauchschmerzen, Appetitmangel oder Schlafstörungen. Im Allgemeinen werden die Medikamente aber gut vertragen.
ADHS ist keine reine Entwicklungsstörung, die sich mit der Pubertät auswächst. Bei etwa einem Drittel der betroffenen Kinder bilden sich zwar die Auffälligkeiten mit zunehmendem Alter zurück, etwa 60% bis 70% aller Kinder, die an ADHS leiden, behalten die Symptome jedoch als lebenslange Störung bis ins Erwachsenenalter bei.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist eine chronische Erkrankung. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist sie nicht grundsätzlich heilbar.
Eine Behandlung von ADHS zielt deshalb darauf, die Verhaltensstörungen soweit zu regulieren, dass die betroffenen Kinder sich normal entwickeln können bzw. eine normale Entwicklung nicht gefährdet ist. Für das Kind entscheidend ist, dass bei einer Behandlung seine Lebensbereiche insgesamt im Blick bleiben, damit das Kind in der Familie, der Schule und auch bei den nachmittäglichen Freizeitaktivitäten stabile soziale Beziehungen aufbauen kann.
Denn nur eine individuelle und umfassende Behandlung kann optimal den Verlauf und die Ausprägung der Erkrankung positiv beeinflussen, sodass Kinder und Jugendliche mit ADHS selbstbestimmt am normalen sozialen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen, dass sie ein gesundes Selbstwertgefühl ausprägen und die Chance auf ein erfülltes Leben haben können.
Bleibt eine ADHS unbehandelt, kann das für das Kind weitreichende und lebenslange Folgen haben. Die Auswirkungen treffen nicht nur die Kinder selbst, sondern auch ihre Familien und ihr weiteres soziales Umfeld.
Welche negativen Auswirkungen hat eine unbehandelte ADHS auf die
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