Folge 3: Operation - Rückschlag oder neue Chance?

Operation - Rückschlag oder neue Chance?

Fisteln, Engpässe oder sogar ein künstlicher Darmausgang? Eine CED kann die unterschiedlichsten Operationen zu Folge haben. Warum Désirée findet, dass ihr "Pouch der absolute Wahnsinn ist“, warum man vor einer OP nicht unbedingt Angst haben muss, worauf man aber achten sollte, erfährst du in dieser Folge zum Thema Operationen bei einer CED.
(EM-94609)


Teilnehmer:innen

Eva

„Mein Name ist Eva. Als ich die Diagnose Morbus Crohn erhalten habe, war das am Anfang wirklich eine Herausforderung für mich. Vieles in meinem Leben hat sich seitdem verändert. Heute kann ich sagen, dass ich gelernt habe, mit dem Morbus Crohn umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Das war allerdings nicht immer so. Nach meiner Diagnose wusste ich nicht so recht, wie ich kommunizieren soll, dass ich an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leide.

Das Schreiben hat mir dabei geholfen, alles zu verarbeiten. Gleichzeitig kann ich anderen dabei helfen, mit der neuen Situation umzugehen, indem ich meine Geschichte öffentlich mache.

Ich möchte über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufklären und anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Zusammen mit Janssen trete ich für eine offene Kommunikation über CED ein – dafür engagiere ich mich im Rahmen der Aufklärungskampagne ‚Einfach sagen, was dahintersteckt.

"So führen wir beispielsweise regelmäßige Interviews mit Betroffenen, Angehörigen, Ärzt:innen und Psycholog:innen rund um die Colitis ulcerosa und den Morbus Crohn. Wir sprechen aber auch über die Erkrankung selbst und über Ernährung, Sport oder Reisen mit CED – eben alle Themen, die dazugehören. Die Gespräche findest du hier auf der Seite im Podcast- oder Videoformat.

Désirée

Désirée bekam die Diagnose Colitis ulcerosa mit 14 Jahren. Mittlerweile lebt sie, nach einer Vielzahl von Operationen, ohne Dickdarm. Nach verschiedenen Stomata hat Désirée nun einen J-Pouch, wodurch sie wieder „normal zur Toilette gehen“ kann.

Désirée hat trotz ihres schweren Krankheitsverlaufes eine sehr positive Einstellung zum Leben: „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“. Ihren Pouch hat sie bereits einige Jahre und findet, dass dieser ihr Leben sehr positiv verändert hat.

Für die Journalistin ist offene Kommunikation nicht nur im Job, sondern gerade bei einer CED besonders wichtig. Denn der Austausch mit Freund:innen und Familie, aber vor allem auch mit anderen Betroffenen, hat ihr viel Kraft gegeben. Genauso wie ihre Psychotherapie, über die sie auf ihren Kanälen ebenfalls offen spricht.

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Über den Podcast

Inhaltsverzeichnis

(00:00:32) Vorstellung des heutigen Gastes: Désirée
(00:01:10) Wie unterscheiden sich Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und wie geht man therapeutisch mit einer Colitis ulcercosa um?
(00:02:41) Dickdarm raus mit 15: Désirées Operationen und wie es ihr damit ging
(00:05:42) Wundersäckchen Pouch: Wie funktioniert das körpereigene Körbchen?
(00:08:46) Die richtigen Mediziner:innen als Begleitung – ein 6-er im Lotto? Désirée über ihre Erfahrungen
(00:12:05) Désirées Tipps: Was helfen kann, wenn man sich für oder gegen eine OP entscheiden muss
(00:14:25) Wie regeneriere ich mich nach einer OP?
(00:17:34) Zusammenfassung aller Tipps und Ratschläge
(00:20:56) Outro

Transkript Folge 3:
Operation - Rückschlag oder neue Chance?


Eva [00:00:00] Willkommen zu „Klartext“ – dem Podcast über CED. Mein Name ist Eva und ich habe Morbus Crohn. In dieser Podcast-Reihe möchte ich euch an meiner Geschichte teilhaben lassen und zeigen, wie ich gelernt habe mit der Erkrankung umzugehen.

Hallo, zu einer neuen Folge von „Klartext“. Heute geht es um das Thema Operationen. Hierfür habe ich Desiree zugeschaltet. Wir werden uns zum Thema Operationen austauschen und vor allen Dingen, da ich an Morbus Crohn leide und Desiree an Colitis ulcerosa, werden wir uns speziell auch über die bestehenden Unterschiede austauschen. Aber zuerst einmal: Hallo Desiree, schön, dass du dabei bist!

Desiree [00:00:34] Hallo Eva, schön, dass ich hier sein darf! Erst einmal kurz etwas zu mir: Ich bin Desiree und bin 26 Jahre alt. Ich habe Colitis ulcerosa mit 14 Jahren, quasi mitten in der Pubertät bekommen und habe inzwischen schon etwa 15 OPs hinter mir. Mein Dickdarm wurde komplett herausgenommen und ich hatte zeitweise Stomas, also einen künstlichen Darmausgang und habe jetzt aber einen sogenannten J-Pouch. Was das ist, kann ich ja später mal in Ruhe erklären.

Eva [00:01:03] Ja, da hast du schon das eine oder andere miterlebt, was Operationen betrifft. Generell unterscheiden sich die Krankheitsbilder so ein bisschen: Bei Morbus Crohn ist es ja so, dass wirklich vom Mundraum bis zur Speiseröhre über den Magen, Dünndarm, Dickdarm wirklich alles betroffen sein kann. Und generell gilt für alle chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Wenn eine medikamentöse Therapie nicht mehr wirkt oder zu viele Engstellen da sind oder viele Fisteln oder Abszesse bestehen, vielleicht auch Blutungen im Darm nicht mehr gestillt werden können, ist eine Operation sinnvoll. Bei der Colitis ulcerosa ist es ja ein bisschen anders, weil da „nur“ der Dickdarm betroffen ist. Vielleicht kannst du uns dazu mehr sagen, weil du da ja wirklich eigene Erfahrungen gesammelt hast.

Desiree [00:01:49] Genau, ich glaube, das ist tatsächlich der größte Unterschied. Bei Morbus Crohn ist es natürlich schwierig, weil man viele Stellen im Körper hat, die operiert werden könnten oder müssten. Bei der Colitis ist es eben so, dass „nur“ der Dickdarm betroffen ist, dieser sich aber so stark entzünden kann, wie es bei mir auch der Fall war, so, dass die Blutung nicht mehr gestoppt werden kann. Ich habe so viel Blut verloren, dass ich jede Woche eine Bluttransfusion brauchte. Wenn dann der Punkt erreicht ist und man medikamentös einfach nicht mehr eingestellt werden kann, kann bei der Colitis der komplette Dickdarm herausgenommen werden und erst einmal auf bestimmte Zeit oder je nach Patient – falls man das für immer behalten möchte – ein künstlicher Darmausgang, ein sogenanntes Stoma, angelegt werden.

Eva [00:02:40] Bei dir waren das jetzt über die Zeit bereits mehrere Operationen. Welche waren das und wie kam es dazu? Hattest du darauf Einfluss und wie ging es dir dabei?

Desiree [00:02:58] Ich lese viel davon, dass Menschen vor der Entscheidung stehen: „Lass ich mich operieren, lasse ich mich nicht operieren?“ Ich konnte diese Entscheidung nie treffen, bei eigentlich keiner meiner Operationen, weil die meisten einfach wirklich Not-OPs waren. Meine allererste OP hatte ich tatsächlich schon mit 15 Jahren. Da hatte ich die Colitis bereits ein knappes Jahr und bei mir hat der Verlauf eben sehr schnell, sehr stark zugenommen. Ich habe super viel Blut verloren. Ich war sehr schnell, sehr schwach, habe viel Gewicht verloren und dann gab es eine Nacht- und Nebelaktion, in der morgens im Krankenhaus entschieden wurde: „Okay, so geht es einfach nicht mehr weiter, der Körper wird das nicht mehr packen!“ Dann wurde morgens entschieden, dass der Dickdarm rausgenommen wird und dann hatte ich gleich mit 15 Jahren eine sehr große Acht-Stunden-OP, weil mein Körper total geschwächt war. Der Dickdarm wurde direkt komplett rausgekommen und das war für mich total schwierig, weil ich überhaupt keinen Einfluss darauf hatte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich das möchte oder nicht, weil der Dickdarm schon komplett entzündet und porös war und es deshalb kurz vor knapp und höchste Zeit war, dass er rauskommt. Und dann bin ich eben morgens mit einem Stoma aufgewacht, also mit dem künstlichen Darmausgang, und es war für mich total schwierig und krass, das dann irgendwie zu verarbeiten, weil einfach alles so schnell ging. Dann ist bei mir in den vergangenen Jahren leider einiges schiefgelaufen und ich hatte ziemlich viele OPs, über die ich keine Entscheidungsfreiheit hatte, weil es Notoperationen waren und es immer wieder kleine und größere Zwischenfälle gab. Das Stoma wurde dann rückverlegt und ich habe einen Pouch bekommen, mit dem man dann sozusagen wieder auf dem normalen Weg zur Toilette gehen kann und nicht mehr einen Beutel am Bauch leert. Der hat sich allerdings leider auch wieder entzündet und so musste auch der Pouch noch einmal entfernt werden. Jetzt aber, um endlich mal etwas Positives sagen zu können, habe ich seit 4 Jahren schon den zweiten Pouch und – toi, toi, toi – es war wirklich der Wahnsinn und er hat mein Leben total verändert. Mir geht es jetzt so wahnsinnig viel besser und anders und ich kann wieder ein ganz, ganz anderes Leben führen, obwohl ich keinen Millimeter Dickdarm mehr habe und auch ein paar Zentimeter meines Dünndarms schon entfernt wurden. Aber dieses körpereigene Säckchen in meinem Bauch, das hat mein Leben ganz schön positiv verändert.

Eva [00:05:41] Könntest du das mal kurz für jemanden, der vielleicht noch nie davon gehört hat, erklären? So ein bisschen was hast du ja schon erklärt – dass man im Prinzip aus eigenen Organen ein Auffangbecken gebaut hat. Könntest du das vielleicht in deinen eigenen Worten erklären, sodass man sich das ein bisschen besser vorstellen kann, wie bei dir aktuell die Verdauung funktioniert?

Desiree [00:06:03] Ja auf jeden Fall. Tatsächlich fand ich das total gruselig am Anfang. Dann habe ich mich immer mehr damit beschäftigt und irgendwie finde ich es mittlerweile ganz schön faszinierend. Der Dünndarm wird ein bisschen auseinandergezogen – wie eine Ziehharmonika an meinem Bauch stelle ich mir das immer vor. Dadurch, dass der Dickdarm ein riesiges Organ ist, fehlt jetzt total viel in meinem Bauch, dort ist also sehr viel Platz. Dann wurde der Dünndarm ein Stück weit aufgezogen und es wurden zwei Dünndarmschlingen aneinandergenäht und dann in der Mitte aufgeschnitten. Das hört sich jetzt komplizierter an als es ist. Es wurden quasi zwei Dünndarmschlingen aneinander gemacht und daraus wurde dann ein körpereigenes Körbchen gebastelt, was kurz vor dem After sitzt und dort die aufgenommene Nahrung aufsammelt und behält. Dieses Körbchen ist also am After angeschlossen und man kann „ganz normal“ auf Toilette gehen. Natürlich muss ich trotzdem mehrmals am Tag auf Toilette gehen, anders als jemand mit einem kompletten Dickdarm.

Eva [00:07:16] Denn dieses größere Auffangbecken ist halt nicht mehr da.

Desiree [00:07:19] Genau. Im besten Fall ist es so, dass man von diesem Körbchen im Bauch gar nichts merkt. Ich spüre das nicht, ich merke nicht, dass es in meinem Bauch drin ist. Ein Punkt, der mir zwar am Anfang total Angst gemacht hat, den ich mittlerweile aber irgendwie witzig finde, ist, dass dadurch, dass der komplette Dickdarm fehlt, wirklich sehr viel Platz in meinem Bauch ist. Das merke ich im Alltag gar nicht – wenn ich laufe, jogge, egal was. Aber beim Schwimmen merkt man das extrem, weil im Wasser eben keine Schwerkraft mehr herrscht und ich dann das Gefühl habe, dass meine Organe, die viel Platz im Bauch haben, sich irgendwie ein bisschen umsortieren und vor sich hinschwimmen und ihr eigenes kleines Schwimmerlebnis haben. Sobald ich dann aus dem Wasser rausgehe, habe ich das Gefühl, dass meine Organe sich kurz sammeln und neu ordnen und im Bauch sortieren müssen. Dann sieht man das tatsächlich auch an meiner Bauchoberfläche, dass sich etwas bewegt und in meinem Bauch Party feiert.

Eva [00:08:23] Du hast natürlich enorm viel mitgemacht, was die Operationen angeht, aber ich habe das Gefühl, dass du mittlerweile eine ganz coole Haltung dazu hast und, dass du das so für dich angenommen hast, weil es im Prinzip keine Alternative gab und, weil es dir dazu verholfen hat ein halbwegs normales Leben zu führen. Da gab es bei dir also die ein oder andere Operation, die eben dringend notwendig und meistens dann auch relativ schnell erforderlich war. Hast du dich dennoch gut abgeholt gefühlt? Haben die Ärzte dich so aufgeklärt, dass du schnell verstehen konntest, dass die Operation jetzt notwendig ist und du wusstest, was dabei genau passiert.

Desiree [00:09:11] Leider fast gar nicht. Ich muss sagen, dass ich vor allem wegen meiner jungen Jahre – ich war ja erst 15 – noch gar nicht so viel über die Krankheit wusste. Und ich habe das Gefühl, dass es da noch nicht so ein tolles Netzwerk gab, wie es heute existiert, mit den vielen Informationsquellen, auch online und über Social Media. Das war für mich alles ein großes, unbekanntes Feld und ich wurde, muss ich leider wirklich sagen, ziemlich schlecht aufgeklärt. Es hieß von jetzt auf gleich: „Zack zack!“ und „Es muss schnell gehen“ und „Wir bereiten dich jetzt auf eine OP vor und du kommst jetzt in ein OP-Hemdchen und dann geht’s los!“ Das hat mich wahnsinnig überfordert und es war psychisch sehr schlimm für mich. Ich muss ganz ehrlich dazu sagen, dass es wie ein Sechser im Lotto ist, einen tollen Arzt zu finden, der nicht nur chirurgisch was kann, sondern auch menschlich ein bisschen was draufhat. Im Laufe meiner OP-Erfahrungen hatte ich das Glück einen solchen Arzt zu finden und das macht auf jeden Fall etwas mit einem, wenn man vor einer OP, selbst wenn die Zeit knapp ist, einen Arzt hat, der ruhig mit einem spricht und einem erklärt, welche Möglichkeiten man hat und warum was wie passieren muss. Das ist auf jeden Fall für die Psyche super und stellt eine ganz andere Ausgangssituation dar. Auf der einen Seite war es natürlich hart und schwierig, keine Entscheidungsmöglichkeit zu haben. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass es genauso schwierig sein kann, wenn man mehrere Entscheidungsmöglichkeiten hat, denn wie entscheidet man, wann der richtige Zeitpunkt ist, um den eigenen Darm rausnehmen zu lassen? Das ist natürlich eine krasse, schwierige Entscheidung. Manchmal glaube ich deshalb, dass ich vielleicht sogar froh sein kann, dass mir diese Entscheidung abgenommen wurde und ich mich gar nicht damit befassen konnte.

Eva [00:11:03] Ja, ich höre von einigen Patienten, die wirklich noch vor dieser Entscheidung stehen und, dass meist natürlich auch der Leidensdruck entscheidet. Ich muss aber auch sagen, dass ich bisher selten von jemandem gehört habe: „Hätte ich das mal nicht gemacht!“ Sondern ich habe eher gehört: „Wow, ich habe wieder an Lebensqualität gewonnen!“ Viele haben natürlich ein bisschen Angst vor dem künstlichen Darmausgang und auch ich selbst bin aufgrund des Crohns noch nicht operiert worden. Deshalb, weil ich die Entzündungen, wie du schon sagtest, an so vielen unterschiedlichen Stellen habe, hilft es bei mir nicht mehr an einer Stelle anzugreifen. Die Sache muss anders angegangen werden. Und tatsächlich war es dann im Prinzip so, dass man die Stenosen/Engstellen, die da waren, medikamentös in den Griff bekommen hat, beziehungsweise dann auch mit Nahrungsverzicht. Aber es gibt ja auch Menschen, die wirklich ein Problem damit haben, dass gegebenenfalls eine OP auf sie zukommen könnte. Mal angenommen, du würdest vor so einer Entscheidung stehen, was würdest du auf Grundlage deiner Erfahrungen, die du bereits gemacht hast, proaktiv einfordern – sei es Aufklärung, sei es Informationen? Wovon würdest du abhängig machen, eine Klinik oder einen Arzt aufzusuchen?

Desiree [00:12:24] Ich finde es jedes Mal wahnsinnig schwierig, weil ich total oft danach gefragt werde, auch auf Social Media, weil ich inzwischen offen damit umgehen kann. Ich finde es immer schwierig, die Entscheidung zu treffen. Ich kann sagen, dass sich mein Leben zu 100 Prozent ins Positive verändert hat – ohne Dickdarm und mit diesem Pouch. Aber natürlich habe ich trotzdem einen langen und krassen Leidensweg hinter mir, und wenn ich dann manchmal anfange davon zu erzählen, hört sich das natürlich super abschreckend und leider nicht so positiv an. Wenn man dann hört: „15 Operationen, oh Gott, oh Gott!“, dann merke ich, dass ich teilweise leider mehr Angst als Mut mache, obwohl ich jetzt halt total positiv bin. Es ist teilweise schon schwierig für mich, das dann zu vermitteln. Aber ich finde, der allerwichtigste Punkt ist immer, immer, immer, sich eine zweite oder dritte Meinung einzufordern und sich niemals auf einen Arzt oder einen Operateur zu verlassen. Wenn du nicht zu 100 Prozent ein tolles Bauchgefühl hast, dann hole dir auf jeden Fall eine zweite Meinung ein. Sprich noch einmal darüber, hole dir so viele Informationen, wie du haben kannst darüber. Klar kann es auch abschrecken, wenn du zu viel davon weißt und zu viel gehört hast, auch, was schiefgehen kann. Versuche mit Menschen über das Thema zu sprechen, die es vielleicht schon hinter sich haben, die dir auch Tipps geben können, was am wichtigsten ist in den ersten Wochen und Monaten, vielleicht auch mit Stoma. Denn natürlich verändert sich dein Leben von heute auf morgen komplett, wenn du nicht mehr auf Toilette gehst und sich die ganze Nahrung, die du aufnimmst, in einem Beutel sammelt, der an deinem Bauch klebt. Es verändert sich einfach alles und auch psychisch, seelisch verändert sich alles für dich. Also hole dir da Informationen, sodass du auf jeden Fall an einem Punkt bist, an dem du dich sicher und okay damit fühlst. Ich glaube, erst, wenn man sich mit der Situation gut fühlt, ist der Zeitpunkt gekommen, um sich für eine OP zu entscheiden.

Eva [00:14:27] Nehmen wir mal die letzte Operation von dir als Beispiel. Wie kann ich mir das vorstellen? Wie lang warst du für diesen letzten Eingriff im Krankenhaus? Warst du danach in Reha? Wurdest du im Hinblick auf das Thema Ernährungsformen begleitet? Wie ging es für dich nach der OP weiter und wie hast du deine neuen Routinen entwickelt?

Desiree [00:14:51] Ich muss dazu sagen, dass meine Best-of-OP acht bis zehn Stunden gedauert hat und ich für sechs Monate im Krankenhaus war. Meine letzte große Operation war vor vier Jahren und da wurde quasi mein zweites Stoma wieder rückverlegt, weggemacht und der zweite Pouch wurde in Betrieb gesetzt. Ich war tatsächlich trotz so vieler Operationen noch nie in Reha, weil es einfach nie hingehauen hat. Immer, wenn ich gerade einen Reha-Platz ergattert hatte, war wieder irgendetwas und ich musste wieder ins Krankenhaus und war noch nicht in der physischen Verfassung, um in die Reha zu gehen. Von daher hat es tatsächlich nie hingehauen und ich war irgendwann auch seelisch an einem Punkt angelangt, an dem ich gar keine Lust mehr hatte in Reha zu gehen, weil ich einfach nur noch nach Hause sein wollte und raus aus dem Krankenhaus, raus aus allem, was irgendwie aussehen könnte wie ein Krankenhaus. Ich hatte einfach keine Lust mehr, wollte einfach nur noch nach Hause und habe mich dann auch in meiner eigenen Umgebung so viel besser gefühlt und konnte da so viel besser regenerieren. Für mich war es das Wichtigste, dass ich nach nun fast 12 Jahren mit der Erkrankung grob wusste, was auf mich zukommt nach den Operationen. Man lernt immer mehr dazu und weiß, wie schwach man am Anfang ist und was dann wichtig ist. Dass es wichtig ist, sich langsam wieder zu bewegen, Muskeln aufzubauen. Ich habe das dann zu Hause mit Physiotherapeuten, die mich dabei ambulant begleitet haben, alles gut hinbekommen. Man lernt eben auch für sich selbst sehr gut, welche Nahrung gut funktioniert und was gar nicht funktioniert nach Operationen. Das ist aber tatsächlich einfach ein Ausprobieren. Da gibt es keine allgemeingültigen Regeln, weil bei jedem etwas anderes gut funktioniert. Mein absolutes Jackpot-Superfood ist Pommes mit Mayo und das kann man ja niemandem erzählen. Das funktioniert bei vielen einfach nicht, weil es fettig und frittiert ist und bei mir ist es so, dass sobald ich Pommes esse, sich mein Bauch beruhigt. Und mir geht’s dann total super. Es ist wirklich ein großes, großes Ausprobieren und das Wichtigste ist glaube ich, nach OPs nicht ungeduldig zu sein. Das ist auch meine allergrößte Schwäche. Ich bin der ungeduldigste Mensch überhaupt. Wenn man jeden in meiner Familie und jeden meiner Freunde fragen würde, ist das meine absolut größte Schwäche: zu lernen, die Situation anzunehmen, wie sie gerade ist. Zu akzeptieren, dass man gerade nichts tun kann, außer abwarten, geduldig sein und sich ganz langsam Gutes zu tun und wieder zu Kräften zu kommen – sowohl physisch als auch psychisch.

Eva [00:17:34] Vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrung. Ich würde ganz gerne noch mal unsere Ratschläge, die wir gegeben haben, zum Ende der Folge zusammenfassen. Wenn man die Möglichkeit hat – das war bei dir leider nicht gegeben, beziehungsweise kaum gegeben – sollte man sich in der Situation wirklich aufklären lassen, sodass man selbst mitentscheiden und mitgestalten kann. Dann sagtest du auch, dass man gegebenenfalls eine Zweit- vielleicht auch Drittmeinung einholen sollte. Dann sollte man natürlich für sich selbst reflektieren: Wie hoch ist denn der Leidensdruck? Über die Wahl der Klinik haben wir noch gar nicht gesprochen. Welche Kliniken würdest du empfehlen, beziehungsweise hast du dich da an irgendwas orientiert oder hast du da eine Empfehlung bekommen? Welchen Ratschlag würdest du jemandem geben, wenn es um die Suche nach einer Klinik geht?

Desiree [00:18:29] Mein größter Punkt ist hier, im wahrsten Sinne des Wortes: Scheiß auf die Klinik! Scheiß darauf, wie ranzig die Klinik vielleicht aussieht! Am wichtigsten ist, der Mensch, der dich operiert. Es kann sein, dass die allerbesten, grandiosesten Experten, die wirklich toll operieren, die seit vielen Jahren nichts anderes machen und sich in dem Bereich blind auskennen, in einer super uncoolen und unschönen Klinik arbeiten. Aber das ist dann halt wirklich nicht das Wichtigste. An oberster Stelle steht die Erfahrung des Operateurs: Wie oft hat er diese OP schon gemacht? Wie oft macht er die im Jahr, vielleicht im Monat, vielleicht am Tag? Wie gut kann er dir auch vor der Operation alles erklären und an deiner Seite stehen? Das ist das A und O und das Allerwichtigste.

Eva [00:19:26] Ergänzend dazu sagtest du auch, dass man proaktiv Hilfe einfordern sollte, wenn man sie braucht und, dass es für den einen oder anderen auch eine große psychologische Herausforderung darstellen kann. Und ein Thema, was ich da rausgehört habe, ist die Geduld.

Desiree [00:19:44] Oh ja!

Eva [00:19:47] Wären das dann unsere Top-Ratschläge oder würdest du diese noch um einen Punkt ergänzen wollen?

Desiree [00:19:55] Ja, einen letzten Punkt würde ich tatsächlich noch ergänzen wollen. Es ist natürlich supergut und wichtig, mit Freunden, Familie, Menschen, die einem nahestehen, über die Situation zu sprechen, aber es kann auch wahnsinnig helfen, mit Menschen darüber zu sprechen, die dasselbe durchgemacht haben, die auch die Krankheit haben, die die OPs auch hatten. Da herrscht natürlich ein ganz anderes Grundverständnis. Man sollte sich auch nicht scheuen, denn wenn man viel, schnell durchmacht, ist es klar, dass die Psyche da manchmal nicht mehr hinterherkommt. Dann gilt es, sich nicht zu scheuen oder davor zu verstecken. Man kann dann vielleicht auch eine Psychotherapie machen oder sich einfach jemand Außenstehendes suchen, mit dem man über das Thema sprechen kann. Das ist manchmal gar nicht so unwichtig.

Eva [00:20:48] Super. Ja, ich glaube, das ist sogar sehr wichtig. Noch mal vielen lieben Dank für deine Offenheit, Desiree. Du hattest extrem viele Operationen, aber dein Zustand jetzt beweist, dass du dich auch nach diesen Operationen wieder wohlfühlst. Ich hoffe, dass dein Beispiel zeigt, dass eine Operation nicht zwingend etwas ist, wovor man riesig viel Angst haben muss, sondern, dass es eben auch eine Chance sein kann, um Lebensqualität zurückzugewinnen. Und ich hoffe, das ist rübergekommen. Ich bedanke mich und wünsche dir alles Gute!

Desiree [00:21:31] Vielen, vielen Dank Eva!

Eva [00:21:34] Schön, dass ihr wieder mit dabei wart und zugehört habt. Habt ihr vielleicht Themen, Wünsche oder Anregungen für uns für diesen Podcast? Dann schaut in die Podcast-Beschreibung. Dort findet ihr eine Info, wie ihr uns kontaktieren könnt. Oder schaut bei Facebook bei CEDlife vorbei!

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