Folge 1: Marathon und viele Fragezeichen: Eva erzählt

Intention des Podcasts Einleitung der Moderatorin

Eva [00:00:00] Willkommen zu „Klartext“, dem Podcast über CED. Mein Name ist Eva und ich habe Morbus Crohn. In dieser Podcast-Reihe möchte ich euch an meiner Geschichte teilhaben lassen und zeigen, wie ich gelernt habe, mit der Erkrankung umzugehen. Ich werde euch von meinen Erfahrungen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung berichten, um euch so hoffentlich viele Tipps und Anregungen für euren Alltag mitgeben zu können.

Patricia [00:00:26] Hallo Eva, schön, dass du da bist. Wir wollen dich heute in unserem ersten Podcast „Klartext“, dem Podcast über CED, kennenlernen und mit dir über die Anfangszeit deiner Geschichte mit Morbus Crohn sprechen. Wie hast du die ersten Symptome bemerkt? Was waren die nächsten Schritte und wie hast du diese Zeit erlebt? Und wie kam es schließlich zur Diagnose Morbus Crohn? Aber dazu später mehr. Magst du dich vielleicht einmal kurz für all diejenigen vorstellen, die dich noch nicht kennen?

Wer ist Eva, was macht Sie und wie kam es, dass Sie CED Botschafterin wurde?

Eva [00:00:51] Ja, gerne, danke. Mein Name ist Eva und ich bin 34 Jahre alt. Ich bin geboren und lebe in Nordrhein-Westfalen zusammen mit meinen zwei Männern, wie ich es gerne formuliere – meinem menschlichen Mann und mit meinem Hunde-Mann. Beide haben mir gut dabei geholfen, meine Erkrankung anzunehmen und mit ihr umzugehen. Ich habe nämlich die Diagnose Morbus Crohn im Jahr 2012 erhalten und davor hatte ich einen ziemlich langen Ärztemarathon hinter mir. Mittlerweile ist Zeit vergangen und ich kann sagen, dass ich gelernt habe, mit der Erkrankung umzugehen und auch mit ihr ein erfülltes Leben zu führen.

Patricia [00:01:31] Du bloggst auch über deine Erkrankung und sprichst in den sozialen Medien ganz offen und auch öffentlich über deine CED. Warum hast du damals den Blog gestartet?

Eva [00:01:41] Für mich hatte der Blog am Anfang eher so eine Art Tagebuch-Funktion. Ich musste selbst erst einmal verarbeiten, was mit mir passiert und, was die Diagnose mit mir macht und für mich bedeutet. Was es bedeutet, chronisch krank zu sein. Ich habe mit dem Blog dann einfach mal angefangen und gemerkt, dass ich für das, was ich in meinem Blog schreibe, sehr positives Feedback von anderen Betroffenen erhalte. Das hat mich dann motiviert, weiterzumachen und tiefer in die Themen einzusteigen und das Thema CED noch umgreifender zu behandeln. Tatsächlich gab es auch Betroffene, die mir gesagt haben, dass ich damals ein Grund dafür war, dass sie nach einem Schub wieder aufgestanden sind. Ich finde eine schönere Bestätigung für eine Sache, die man macht, gibt es gar nicht. Und das ist auch etwas, das mir wieder Kraft gibt, mit der Erkrankung besser umzugehen. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass man seine Krankheitsgeschichte öffentlich macht, um anderen Menschen zu helfen, besser mit der eigenen Erkrankung umgehen zu können. Das ist etwas, was mir zu Beginn stark gefehlt hat. Die ersten Jahre mit der Erkrankung waren für mich wirklich sehr schwer.

Gegen die Stigmatisierung von chronisch Kranken: Was Eva antreibt

Patricia [00:02:51] Ja, das kann ich mir vorstellen. Du bist sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hast im Januar 2017 den Verein „CHRONISCH GLÜCKLICH e.V.“ gegründet, der chronisch kranken Menschen dabei helfen soll, ihren Alltag besser zu bewältigen. Was treibt dich denn zu dieser Arbeit an?

Eva [00:03:07] Ich habe eben einen etwas provokanten Titel gewählt – „CHRONISCH GLÜCKLICH“ –, weil ich finde, dass diese harte Diagnose und der Ausdruck des „Chronisch Krankseins“ einem das Gefühl geben, einen Stempel aufgedrückt zu bekommen, auf dem steht: Ich bin chronisch krank und ab jetzt ist mein Leben vorbei und schlecht. Deshalb war es für mich wichtig, den Verein zu gründen und ihn „CHRONISCH GLÜCKLICH“ zu nennen. Ich wollte den Betroffenen helfen, indem ich sie direkt an ihren Herzen abhole und sage: „Hey, das Leben ist nicht vorbei! Wenn du dich mit der Erkrankung auseinandersetzt, wenn du schaust, was dir guttut, wenn du dich mit Betroffenen austauschst und ihr gegenseitig voneinander lernt, dann kannst du mit dieser Erkrankung auch ein schönes und erfülltes Leben führen.“ Viele schämen sich dafür, krank zu sein und ich finde es total schade, dass man sich für etwas schämt, was man sich selbst nicht ausgesucht hat. Und deswegen ist es so enorm wichtig, dass es Initiativen gibt, an die man sich wenden kann und bei denen ein Austausch stattfindet. Sei es nun unser Verein oder auch andere Accounts und Blogs, die über die Erkrankung schreiben.

Patricia [00:04:18] Das klingt wirklich nach einem sehr wertvollen Beitrag, den ihr da leistet. Seit 2018 gibt es auch die Aufklärungskampagne ”Einfach sagen, was dahintersteckt” und seit Oktober 2019 bist du selbst Teil dieser Kampagne. Wieso hast du dich dazu entschieden?

Eva [00:04:33] Ich habe mich dazu entschieden, weil das natürlich sehr gut zu meiner Überzeugung passt, dass mehr Aufklärung betrieben werden muss. Zum einen, um Betroffenen eine Anlaufstelle zu bieten, bei der sie sich informieren können und bei der sie auch emotional abgeholt werden, indem ihnen gezeigt wird, dass sie nicht allein damit sind, so nach dem Motto: „Schau mal, das und das kannst du machen, damit du besser mit der Erkrankung leben kannst.“ Zum anderen natürlich, um die Gesellschaft gegenüber dem Thema CED zu sensibilisieren. Mir fiel das anfangs auch sehr schwer, weil mein Umfeld gar nicht damit umgehen konnte, dass da jetzt jemand krank ist. Und deswegen ist es sehr wichtig, dass man darüber aufklärt, dass es solche Erkrankungen gibt und welche Herausforderungen diese für Betroffene mit sich bringen.

Der Bauch als “Achillesferse”

Patricia [00:05:17] Kurz noch mal zurück zu deiner persönlichen Geschichte mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Weißt du noch, wann und wie es war, als du das erste Mal bemerkt hast, dass etwas mit oder in deinem Bauch nicht stimmt?

Eva [00:05:32] Der Bauch war eigentlich schon immer so ein bisschen mein Angriffspunkt, also meine Achillessehne in dem Sinne. Das war immer sehr diffus. Ich hatte häufiger Situationen, in denen mir etwas direkt auf den Bauch schlug. Da das aber bei vielen Menschen so ist, habe ich es gar nicht prägnant wahrgenommen oder gedacht, dass es etwas Schlimmes sein könnte. Es hat sich dann jedoch mehr oder weniger so gesteigert, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wurde, dass ich Phasen hatte, in denen ich kaum Essen vertragen habe, sehr anfällig war für Infekte und das Gefühl hatte: „Irgendwie kann ich das, was ich esse, gar nicht richtig verarbeiten. Ich ziehe nicht die nötige Energie daraus, die ich brauche, um durch den Tag zu kommen.“

Patricia [00:06:15] Hattest du denn etwas im Kopf, was das sein könnte? Kam dir schon irgendeine Idee zu einer möglichen Erkrankung oder Ähnlichem?

Eva [00:06:22] Das Erste, was man immer denkt ist: „Ich vertrage irgendetwas nicht.“ Man hat bei mir in Richtung Nahrungsmittelunverträglichkeiten geschaut und Allergien kontrolliert. Das war der Weg, den ich zu Beginn gegangen bin. Ich habe mich auf alles testen lassen und habe natürlich auch auf die eine oder andere Sache reagiert, weil mein Körper komplett gestresst war. Dann glaubte man die Lösung gefunden zu haben, aber so wirklich hat es dann auch nicht weitergeholfen. Dann hat man geschaut, ob es vielleicht etwas ganz anderes sein könnte. Häufig wird gemutmaßt, dass viel Stress die Ursache sein könnte. Das wurde ich auch von den Ärzten gefragt: „Haben Sie denn jetzt gerade auch Klausuren oder privat Stress?“ Und dann glaubt man irgendwann gar nicht mehr daran, dass es sich zwingend um etwas Organisches handelt, sondern denkt, dass das Ganze psychisch bedingt ist. Das hat bei mir dann zu einer sehr, sehr starken Verunsicherung geführt.

“Liegt’s an mir?” Ein Marathon bei den Ärzt:innen

Patricia [00:07:15] Das heißt, du hast dann auch mehrere Ärzte aufgesucht. Vermutlich war dann die erste Anlaufstelle der Hausarzt?

Eva [00:07:21] Ja, genau. Es fing im Teenager-Alter an und da ging man natürlich noch zum Hausarzt. Der hat nichts finden können und hatte auch noch keine Ansatzpunkte. Während der Ausbildung und des Studiums wurde es dann immer schlimmer. Dann bin ich teilweise auch zu Ärzten gegangen, die mich nicht kannten und die ich nicht kannte. Ich habe es dann immer bei dem einen oder anderen versucht, weil ich gefühlt keine konstruktive Lösung auf mein Problem erhielt.

Patricia [00:07:49] Was ist das für ein Gefühl, wenn man eine Arztpraxis verlässt und wieder keine Diagnose erhalten hat?

Eva [00:07:54] Das ist ein ziemlich schlechtes Gefühl. Ich nenne es gerne die After-Arzt-Depression, weil es echt blöd ist, wenn man hoffnungsvoll zu einem Arzt geht, dann aber ohne Informationen, ohne eine Diagnose, ohne einen Anhaltspunkt wieder herausgeht. Genau das ist mir aber in dieser Zeit sehr oft passiert, sodass ich mich wirklich selbst infrage gestellt habe. Ich habe mich gefragt, ob ich etwas am Kopf habe und dann versucht, mich selbst schlau zu machen und alternative Methoden ausprobiert. Aber irgendwann war ich am Ende mit meinem Latein.

Patricia [00:08:37] Wie ging es letztlich weiter? Sind die Symptome auch während dieser Zeit schlimmer geworden?

Eva [00:08:43] Ja, es hat sich dann aufgebaut. Irgendwann ging es bei mir dann Richtung Studium-Ende. Da hat man ja richtig schön Stress. Der Stress hat sich dann aber auch auf einem Level gehalten, sodass es immer mal wieder ging, aber sobald ich zur Ruhe kam, wurde es sehr, sehr schlimm. Teilweise bin ich dann auch in die Notaufnahme gegangen – also manchmal bin ich auch gar nicht gegangen, weil das nicht mehr ging vor Schmerzen. Da wurden meist aber nur meine Symptome behandelt. Dann habe ich etwas Entkrampfendes bekommen, dann habe ich Schmerzmittel bekommen. Aber auch da wurde nicht wirklich nach der Ursache geforscht. Auf der einen Seite dachte ich mir zwar, dass das nicht sein kann, weil die Probleme bei mir zunehmend schlimmer wurden, aber auf der anderen Seite dachte ich, es sei lediglich eine Kopfsache und durch den extremen Stress bedingt. Außerdem hatte ich noch mein Studienende als Ziel vor Augen und dachte mir deshalb: „Ich will mein Studium abschließen und das ziehe ich jetzt irgendwie noch durch und danach schaue ich weiter.“

Endlich ernstgenommen: Wie es zur lang ersehnten Diagnose kam.

Patricia [00:09:40] Das klingt nach einer wahnsinnig anstrengenden Zeit. Hattest du denn Unterstützung auf der Suche nach der Diagnose? Was hat dir besonders geholfen zu der Zeit?

Eva [00:09:49] Mir hat es geholfen, dass meine Familie mir Rückhalt gegeben hat, weil meine Familienmitglieder gesagt haben: „Das kann nicht sein, dass du dich so durch quälst. Wir müssen unbedingt der Sache auf den Grund gehen.“ Ich habe dann immer gesagt: „Ja, aber ich habe es doch schon so oft versucht und bin dann doch wieder nur enttäuscht worden. Dann warte ich wieder monatelang und weiß nachher sowieso nicht, was ich habe.“ Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon etwas meinen Mut verloren. Deshalb war es gut, dass man mir reflektiert hat, dass diese Reaktionen meines Körpers nicht normal sind.

Patricia [00:10:27] Gibt es oder gab es in dieser Zeit besonders schwierige Momente für dich? Gibt es ein besonderes Ereignis, das dir im Kopf hängengeblieben ist?

Eva [00:10:38] Ja, im Prinzip gab es bei mir ein Schlüsselereignis, was letztendlich zu der Diagnose geführt hat. Es war der Tag meiner Abschlussprüfung. Also ganz, ganz typisch. Der Kopf hatte den Körper so lange am Leben gehalten, wie er musste. Nach der Prüfung bin ich zusammengebrochen und habe tagelang auf der Toilette verbracht und da ging dann wirklich gar nichts mehr. Tatsächlich hatte dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit aber auch etwas Positives an sich, und zwar, dass mir endlich klar wurde, wie schlecht es mir geht, sodass sich dann endlich jemand der Problematik angenommen hat. Meine Eltern hatten mich dann zu ihrem Hausarzt gebracht und der hat dann schließlich, Gott sei Dank, nachdem ich mit ihm über alles gesprochen habe, relativ spontan die Vermutung auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung geäußert.

Patricia [00:11:32] Neben all diesen negativen Erlebnissen war das dann wahrscheinlich etwas sehr Positives, weil es dann schlussendlich zur Lösung geführt hat.

Eva [00:11:40] Ja genau. Vor allen Dingen war es für mich gut, endlich das Gefühl zu haben, dass es jetzt jemanden gibt, der sich meiner Geschichte und meinen Beschwerden annimmt, der mich ernst nimmt und der meine Situation nicht einfach abtut. Er hat zum Beispiel gesagt: „Du siehst auch echt nicht gut aus. Wie kann das denn sein, dass du jetzt schon so lange damit rumläufst? Wir machen jetzt ganz schnell eine Untersuchung, damit wir das wirklich ausschließen oder bestätigen können, damit wir einen Ansatzpunkt haben, um weiterzumachen.“

Welche Themen sind bei der Bewältigung der Erkrankung wichtig? Welche Fragen sollte sich jeder CED-Betroffene stellen?

Patricia [00:12:07] Wir gehen auf die Geschichte, die danach folgt, ja noch in unserem zweiten Podcast ein. Gibt es denn sonst noch persönliche Herzensthemen für den Podcast? Worauf freust du dich und was ist dir besonders wichtig?

Eva [00:12:20] Jetzt kommt eine Politiker-Antwort: Ich habe nicht dieses eine Herzensthema. Mir ist es vielmehr wichtig, dass man das Thema CED insgesamt beleuchtet. Man muss sein Leben umstrukturieren und gewisse Dinge neu definieren, wenn man so eine Diagnose erhält und mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung lebt. Nur so kann man mit einer CED auch wirklich gut leben. Das kostet viel Mut, viel Kraft und viel Ausdauer. Gerade durch die schubweisen Verläufe ist es ein mentaler Kraftakt und deswegen finde ich es enorm wichtig, dass man gerade zu Beginn versteht, was da überhaupt los ist mit dem Körper. Was passiert da gerade? Und warum passiert das? Es ist wichtig, die Erkrankung zu verstehen und zu wissen, welche Therapiemöglichkeiten man hat. Warum gibt der Arzt mir dieses und jenes Medikament, und wie kann mir das helfen? Was kann ich selbst aktiv tun? Vor allem dieser Aspekt „was kann ich selbst aktiv tun“, hilft auf emotionaler Ebene unglaublich dabei, dieses Gefühl der Hilflosigkeit zu überwinden, weil man aktiv das eigene Wohlbefinden verbessert. Das finde ich enorm wichtig. Auch diese ganzen Aspekte, die in ein Leben mit reinspielen: Was kann ich essen? Welche Ernährung tut mir gut? Was ist mit Bewegung? Wie schaffe ich es trotz Schmerzen und/oder auch Stress im Alltag zu entspannen? Und vor allen Dingen: Wie kann ich selbst mit der Erkrankung umgehen? Wie kann ich mein soziales Umfeld abholen? Wie gehe ich mit meiner Arbeitssituation um? Es gibt für mich nicht das eine wichtige Thema, sondern es ist vielmehr die Mischung der Themen, aus denen sich jeder sein individuelles Set zusammenbauen kann, je nachdem, was ihm oder ihr guttut. Ich hoffe, dass wir in den folgenden Podcast-Folgen möglichst viele davon behandeln können, um möglichst vielen Betroffenen eine Hilfestellung zu geben.

Outro und Ausblick auf kommende Folge

Patricia [00:14:23] Eva, vielen Dank für deine Offenheit an dieser Stelle. Schön, dass Ihr uns zugehört habt. In der nächsten Folge erzählt uns Eva mehr über ihre Diagnose.

Referenzen

Grunze A, Mago R, Grunze H. Nebenwirkungen von Psychopharmaka: Tipps für die Praxis
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