Die Myasthenia gravis, auch Myasthenie genannt ist eine Erkrankung, bei der die Signalübertragung von den Nerven auf die Muskulatur beeinträchtigt ist. Verursacht wird diese Störung durch sogenannte Autoantikörper. Dabei handelt es sich um Antikörper, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten. Im Fall der Myasthenia gravis lagern sich die Autoantikörper an Rezeptoren auf den Muskelzellen an und blockieren diese. Die gestörte Übertragung führt zu einer Muskelschwäche, die sich besonders bei körperlicher Belastung bemerkbar macht. Bei Myasthenia gravis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung: das Immunsystem richtet sich durch die Produktion der Autoantikörper gegen körpereigene Zellen.12
Themen im Überblick:
➤ Wann tritt Myasthenia gravis auf und wie viele Personen sind deutschlandweit betroffen?
➤ Wie sieht ein typischer Krankheitsverlauf aus?
➤ Was passiert bei Myasthenia gravis?
➤ Welche Ursachen hat Myasthenia gravis?
➤ Welche Risikofaktoren begünstigen eine Myasthenia gravis?
➤ Welche Symptome sind typisch und wie äußern sich diese?
➤ Mögliche Auswirkungen von Myasthenia gravis auf den Körper
➤ Wie wird eine Myasthenia gravis diagnostiziert?
➤ Welche Formen der Myasthenia gravis gibt es?
➤ Welche Therapieoptionen gibt es?
➤ Myasthenia gravis im Alltag
➤ Häufig gestellte Fragen
Die Myasthenia gravis wird zu den seltenen Erkrankungen gezählt. In der Europäischen Union wird eine Erkrankung als selten definiert, sofern max. 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. In Europa berichten Studiendaten von einer Prävalenz, also der Anzahl der Krankheitsfälle, zwischen 11 und 36 pro 100.000 Einwohner. Die geschätzte Prävalenz in Deutschland für die Myasthenia gravis liegt bei rund 39 betroffenen Personen pro 100.000 Einwohnern. Es gibt allerdings deutliche geografische Unterschiede bezüglich der auftretenden Fälle: In Korea sind beispielsweise nur knapp 11 von 100.000 Einwohnern betroffen.2345
Insgesamt gibt es weltweit über 700.000 Menschen, die an Myasthenia gravis erkrankt sind. Im letzten Jahrhundert konnte ein deutlicher Anstieg der Fälle beobachtet werden. Zwischen 1915 und 1934 wurde die Prävalenz noch auf 0,5 Betroffene pro 100.000 Einwohner geschätzt, 1969 lag sie bereits bei 5,9 von 100.000 (1 von 17.000) Einwohnern. Als Ursachen für den Anstieg werden mehrere Faktoren wie eine verbesserte Diagnosestellung oder der Anstieg des Durchschnittsalters vermutet.23
Grundsätzlich kann eine Myasthenia gravis in jeder Altersklasse auftreten, wobei die Wahrscheinlichkeit zu erkranken mit Zunahme des Alters ansteigt. Bei Kindern wird die Erkrankung relativ selten diagnostiziert: Nur etwa 10 % der Fälle betrifft Patient:innen < 18 Jahren. Epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Myasthenia gravis besonders häufig bei Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren und bei Männern zwischen 60 und 89 Jahren auftritt.23
Typisch für den Krankheitsverlauf bei einer Myasthenia gravis ist, dass sich die Erkrankung häufig zunächst nur auf die Augenmuskeln, die sogenannte okuläre Muskulatur, auswirkt. Bei etwa 85 % der Betroffenen äußern sich die ersten Symptome in diesem Bereich beispielsweise durch das Hängen der Augenlider oder das Sehen von Doppelbildern. Bei etwa 50 % der Patient:innen weitet sich die Erkrankung innerhalb von 2 Jahren zu einer generalisierten, also weitere Bereiche des Körpers betreffenden, Muskelschwäche aus. Etwa 60 % der Patient:innen erleiden Einschränkungen im Bereich der Rachenmuskulatur, wodurch die Bewegung des Kiefers und somit auch das Kauen und Sprechen erschwert wird. Die Erkrankung kann sich außerdem auf die Skelettmuskulatur in den Armen und Beinen auswirken. In seltenen Fällen erleiden die Betroffenen innerhalb der ersten 2 Jahre nach Krankheitsausbruch Symptome bezüglich ihrer Atemmuskulatur.1
Signalübertragung an der motorischen Endpalette
Gestörte Signalübertragung bei Myasthenia gravis
Die Signalübertragung zwischen Nerven- und Muskelzellen findet an den Übergängen der beiden Zellen, der sogenannten motorischen Endplatte, statt. Eine angeregte Nervenzelle schüttet verschiedene Botenstoffe sogenannte Neurotransmitter, wie z. B. Acetylcholin an dieser motorischen Endplatte aus. Der Botenstoff wandert von dort durch den synaptischen Spalt in Richtung des Muskels, bindet dort an Rezeptoren auf der Muskelzelloberfläche und überträgt auf diesem Weg das Signal der Nervenzelle. In Folge der Signalübertragung kommt es zur Kontraktion des Muskels. Bei gesunden Menschen stellt das Immunsystem Antikörper her, die Krankheitserreger erkennen und bekämpfen können, um den Köper vor Infektionen zu schützen. Bei einer Myasthenia gravis werden sogenannte Autoantikörper gebildet, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten. Sie docken an den Rezeptoren der Muskelzelle an und blockieren oder verändern diese. An den besetzten Rezeptoren können dann keine Botenstoffe aus der Nervenzelle mehr andocken und die Signalübertragung auf den Muskel wird verhindert.12
Es ist noch nicht abschließend geklärt durch welche Faktoren eine Myasthenia gravis verursacht wird, allerdings wird vermutet, dass u. a. die Thymusdrüse eine entscheidende Rolle dabei spielen könnte. Die Thymusdrüse, auch Thymus genannt, ist ein lymphatisches Organ, das in der oberen Brusthöhle liegt und wichtige Funktionen bei der Entwicklung des Immunsystems erfüllt. In der Thymusdrüse werden Immunzellen, sogenannte T-Lymphozyten geprägt und vermehrt. T-Lymphozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind bei der Erkennung und Bekämpfung von Krankheitserregern beteiligt.126
Im Laufe des Lebens verändert sich die Aktivität und Größe der Thymusdrüse: Im Kindheitsalter bis zur Pubertät erreicht die Drüse ihr höchstes Gewicht von etwa 35 bis 50 Gramm, da hier der Höhepunkt der Prägung der T-Lymphozyten stattfindet: Sie lernen anhand verschiedener Oberflächenstrukturen, körpereigene Zellen von Krankheitserregern zu unterscheiden. Anschließend wandern sie in die Lymphknoten und stehen dort für den Fall einer Immunreaktion zum Einsatz bereit. Die Thymusdrüse verkümmert nach und nach, bis sie im Erwachsenenalter lediglich als Thymusfettkörper zu erkennen ist. Bei 50–60 % der Patient:innen mit Myasthenia gravis kann eine Vergrößerung der Thymusdrüse festgestellt werden. Die Thymusdrüse steht daher unter Verdacht, bei der Produktion der Autoantikörper bei Myasthenia gravis beteiligt zu sein.126
Es wird vermutet, dass bestimmte Hormone wie z. B. Östrogene oder Progesteron das Risiko einer Myasthenia gravis erhöhen oder die Erkrankung zumindest beeinflussen können. Bei einer Myasthenia gravis mit frühem Krankheitsbeginn konnte beobachtet werden, dass Frauen dreimal öfter betroffen sind als Männer. Außerdem berichten einige erkrankte Frauen von einer Verschlechterung ihrer Symptome kurz vor dem Einsetzen ihrer Periode, wenn die Progesteron-Konzentration im Körper abfällt. Für betroffene Frauen kann es daher sinnvoll sein, zu dieser Zeit vermehrt Ruhephasen einzuplanen, um den Körper nicht zusätzlich zu belasten. Neben hormonellen Schwankungen können auch verschiedene Stressfaktoren die Symptome einer Myasthenia gravis verschlimmern. Zu diesen Stressfaktoren gehören beispielsweise fieberhafte Infekte, bestimmte Medikamente, grelles Licht oder Wärme/Hitze. Ruhe und Erholung führen hingegen häufig zu einer Abmilderung der Symptome.5
Genetische Faktoren scheinen bei der Myasthenia gravis weniger eine Rolle zu spielen: Nur etwa 4–7 % der Erkrankungsfälle sind mit einer familiären Häufung assoziiert. Es handelt sich also nicht um eine Erbkrankheit. Es kann jedoch passieren, dass Neugeborene von betroffenen Müttern kurz nach der Geburt myasthene Symptome entwickeln. Diese verschwinden im meist nach ein paar Wochen wieder. Man bezeichnet einen solchen Fall als neonatale Myasthenia gravis.25
Die auftretenden Symptome bei Myasthenia gravis können stark variieren. Meist macht sich die Erkrankung zunächst über die Augenmuskulatur bemerkbar, man spricht dabei von okulären Symptomen: Die Betroffenen sehen häufig Doppelbilder und mindestens eines ihrer Augenlider beginnt zu hängen. Okuläre Symptome treten bei etwa 85 % der Patient:innen auf. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen entwickelt innerhalb von zwei Jahren eine generalisierte Form der Erkrankung, bei der weitere Muskelgruppen des Körpers Einschränkungen erfahren. In etwa 60 % der Fälle äußert sich dies im Bereich der Rachenmuskulatur, wodurch die Bewegung des Kiefers und somit auch das Kauen erschwert wird. Schluck- und Sprachstörungen treten bei etwa 15 % der Betroffenen auf.12
Kau- und Schluckschwierigkeiten
Schwierigkeiten beim Sprechen
Hängende Augenlider
Doppelbilder
Schwäche in Armen und Beinen
Schwierigkeiten beim Gehen
Bei besonders schweren Fällen weitet sich die Erkrankung neben der Rachen- auch auf die Atemmuskulatur aus: Patient:innen erleiden Probleme beim Atmen und das Risiko für eine Atemlähmung steigt. Man spricht dann von einer myasthenen Krise: Dabei handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, der durch eine rapide Verschlechterung der Symptomatik verursacht wird. Die Betroffenen benötigen meist eine mechanische Beatmung und/oder künstliche Ernährung. Die Myasthenia gravis kann auch die Skelettmuskulatur einschränken, was sich beispielsweise durch Bewegungseinschränkungen und Muskelschwäche in den Armen und Beinen äußert. Grundsätzlich kann sich die Erkrankung auf alle Muskelgruppen, mit Ausnahme der Muskulatur der inneren Organe, auswirken.12
Betroffene berichten bei zunehmender körperlicher Belastung von einer Verstärkung ihrer Symptome, während sie bei Ruhe eher abklingen. Aufgrund der körperlichen Belastung im Laufe des Tages, treten die Symptome häufig vermehrt in den Abendstunden auf.[1][2] Neben den körperlichen Symptomen beeinflusst eine Mysthenia gravis auch psychische Wohlbefinden von Betroffenen. Die körperliche Belastung erhöht beispielsweise das Risiko für Depressionen und/oder Angstzustände. Außerdem kann der Alltag mit der Erkrankung durch Krankenhausaufenthalte aufgrund schwerer Schübe stark beeinträchtigt werden.78
Modifiziert nach 9
Wenn ein Verdacht auf eine Myasthenia gravis aufgrund oben genannter Symptome auftritt, können verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Dazu gehören u.a.:1011
Verschiedene Arten von Belastungstests können dabei helfen, eine Myasthenia gravis zu erkennen. Hierzu werden beispielsweise die Patient:innen dazu angehalten, ihre Arme für 3 Minuten horizontal ausgestreckt zu halten. Ist dies nicht möglich, deutet das auf eine vorliegende Erkrankung hin.
Es gibt verschiedene Antikörper, die auf eine Myasthenia gravis hindeuten können. Dazu gehören z. B. die Autoantikörper, die an Acetylcholin-Rezeptoren der Muskelzellen andocken und diese blockieren. Durch Untersuchungen der Blutwerte kann festgestellt werden, welche und wie viele dieser Autoantikörper im Körper produziert werden.
Bei einem Elektromyogramm (EMG) werden Nerven wiederholt mit elektrischen Signalen gereizt. Dabei wird zeitgleich die elektrische Spannung an den Muskeln gemessen, wodurch festgestellt werden kann, ob das Signal zwischen Nerv und Muskel übertragen wird.
Es konnte beobachtet werden, dass sich die Symptome von der Myasthenia gravis unter Einfluss von Hitze häufig verschlechtern, während sie sich bei Kälte abmildern. Daher wird besonders bei der Diagnose von okulärer Myasthenie ein Kältepack oder ähnlich genutzt, das für 2–5 Minuten auf ein betroffenes Auge gelegt wird. Eine anschließende Verbesserung der Symptomatik spricht für eine Myasthenia gravis.
Auch Untersuchungen von Enzymaktivitäten können Hinweise darauf geben, ob eine Myasthenia gravis Erkrankung vorliegt oder nicht. Das Enzym Acetylcholinesterase baut beispielsweise den Botenstoff Acetylcholin ab. Durch den Einsatz von Acetylcholinesterasehemmern wird der Abbau des Botenstoffs aufgehalten, wodurch mehr Acetylcholin an die verbleibenden Rezeptoren auf den Muskelzellen andocken können. Verbessern sich durch den Einsatz von Acetylcholinesterasehemmern die Symptome, deutet dies auf eine Myasthenia gravis hin.
Bei 50–60 % der betroffenen Patient:innen liegt eine vergrößerte Thymusdrüse vor und 15 % leiden unter einem Thymom, einem meist gutartigen Tumor der Thymusdrüse. Mit Hilfe einer Computertomografie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann eine solche Veränderung der Thymusdrüse analysiert werden.
Beim Lambert-Eaton-Syndrom (LES), auch Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) genannt, handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung des Nervensystems, die der Myasthenia gravis sehr ähnlich ist. Der Unterschied ist, dass beim Lambert-Eaton-Syndrom Autoantikörper vor der motorischen Endplatte aktiv werden. Sie zerstören Kanäle der Nervenzellen, wodurch die Ausschüttung von Botenstoffen gestört wird. In Folge docken nur wenige Botenstoffe an den Rezeptoren der Muskelzelle an, was die Signalübertragung stark einschränkt. Die auftretenden Symptome bei Myasthenia gravis und dem Lambert-Eaton-Syndrom weisen daher viele Parallelen auf.12
Die Myasthenia gravis kann anhand diverser Kriterien in verschiedene Formen unterteilt werden. Dazu gehören z. B. der Zeitpunkt des Auftretens der ersten Symptome oder die entsprechenden Typen von Antikörpern, die die Erkrankung verursachen. Folgende Formen sind besonders häufig:1213
Zur Einteilung des Schweregrades von Myasthenia gravis werden verschiedene Klassen verwendet, die sich nach der auftretenden Symptomatik richten:12
Klasse I: rein okulär, betriff nur den Bereich der Augenmuskulatur, andere Muskeln sind unauffällig
Klasse II: leichte bis mäßige generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
Klasse III: mäßiger generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
Klasse IV: schwerer generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
Klasse V: Patient:innen müssen intubiert werden
Die Klassen II bis IV können weiter in die Untergruppen A und B unterteilt werden. Bei Untergruppe A ist vor allem die Skelettmuskulatur von Armen und Beinen betroffen, während bei Untergruppe B vor allem Rachen- und Atemmuskulatur beeinträchtigt sind.1
Zur Behandlung der Myasthenia gravis stehen heutzutage verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Zu den gängigsten Behandlungsmethoden gehören:1314
Die Acetylcholinesterase ist ein Enzym, das im Körper dafür zuständig ist, den Botenstoff Acetylcholin abzubauen. Durch den Einsatz eines Acetylcholinestarasehemmers kann das Enzym Acetylcholin nicht mehr abbauen, wodurch die Konzentration des Botenstoffs im Körper ansteigt. So kann mehr Acetylcholin an den Rezeptoren der Muskelzellen andocken, wodurch die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln verbessert wird.
Durch den Einsatz von Immunsuppressiva wie z. B. Kortikosteroiden wird das Immunsystem in seiner Aktivität gehemmt. So werden weniger Autoantikörper gebildet, die bei Myasthenia gravis an den Muskelrezeptoren andocken und diese blockieren.
Wenn bei Patient:innen ein Thymom vorliegt, d. h. eine gutartige Vergrößerung der Thymusdrüse, wird meist eine Thymektomie, also eine operative Entfernung der Thymusdrüse, durchgeführt. So wird das Risiko reduziert, dass der Tumor wächst und das umgebende Gewebe infiltriert. Häufig zeigen sich bei Patient:innen mit einem Thymom nach der Thymektomie auch Verbesserungen bzgl. der Symptome ihrer Myasthenia gravis.
Durch die Gabe von speziellen, im Labor hergestellten Antikörpern können diese spezifisch an Immunzellen binden und sie in ihrer Aktivität hemmen. So kann die Produktion der Autoantikörper bei einer Myasthenia gravis gezielt unterdrückt werden. In Folge können weniger Antikörper die Rezeptoren auf den Muskelzellen blockieren und die Signalübertragung wird verbessert.
Hier werden die Autoantikörper aus dem Blut der Betroffenen herausgefiltert. Ihre Konzentration im Körper sinkt und die Rezeptoren auf den Muskelzellen werden weniger blockiert, wodurch sich die Signalübertragung verbessert.
Verschiedene Antikörper werden von Spendern gesammelt und in den Körper der Patient:innen gegeben, um das Immunsystem unter Kontrolle zu bringen.
Die Myasthenia gravis ist bisher nicht heilbar. Jedoch können über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten die Auswirkungen der Erkrankung abgemildert und die Lebensqualität der Betroffenen gesteigert werden. So kann beispielsweise eine Therapie mit Acetylcholinesterasehemmern oder Antikörpern die Symptomatik verbessern und den Zustand der Patient:innen stabilisieren. Außerdem werden weitere innovative Therapiemöglichkeiten laufend erforscht.15
Betroffene Patient:innen erleiden Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität vor allem aufgrund von Bewegungseinschränkungen und dem erhöhten Risiko vor Komplikationen. Bevor die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung etabliert wurden, hatten Patient:innen mit Myasthenia gravis eine relativ hohe Sterberate: Diese betrug nach 10 Jahren etwa 50 %. Dank moderner Therapieoptionen ist die Lebenserwartung von Patient:innen mit Myasthenia gravis heute aber vergleichbar mit der von gesunden Menschen.13
Grundsätzlich ist eine Myasthenia gravis kein Hindernis für die Erfüllung eines Kinderwunsches. Es sollte jedoch auf eine intensive ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und der Geburt geachtet werden, um bei Komplikationen schnelles Handeln zu ermöglichen. Bei etwa 10–20 % der Neugeborenen von Müttern mit Myasthenia gravis entwickelt sich nach der Geburt eine sogenannte neonatale Myasthenia gravis. Die betroffenen Babys zeigen myasthene Symptome, die glücklicherweise meist nach ein paar Wochen wieder abklingen. Aufgrund des Risikos einer neonatalen Myasthenia gravis ist es bei erkrankten Müttern besonders wichtig, dass die Geburt in einer Einrichtung mit einer Neurologie- und Neugeborenen-Abteilung erfolgt. Außerdem sollte stets mit dem ärztlichem Fachpersonal abgeklärt werden, welche Medikamente während der Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden können.216
Beim Sport sollte stets darauf geachtet werden den Körper nicht zu überlasten, da ansonsten die Symptome einer Myasthenia gravis verschlimmert werden können. Daher eignen sich ganz besonders Sportarten, bei denen die Belastung variabel dosierbar ist wie z. B. Spaziergänge, Walken oder Schwimmen. Beim Schwimmen sollte auf die Wassertemperatur geachtet werden, da auch zu warmes Wasser myasthene Symptome hervorrufen kann. Die Belastungsgrenze der jeweiligen Sportart sollte individuell angepasst und mit dem ärztlichen Fachpersonal besprochen werden.1718
Ein normales Körpergewicht kann bei Myasthenia gravis dabei helfen, die Muskeln zu entlasten, weshalb betroffene Patient:innen auf eine ausgewogene Ernährung achten sollten. Außerdem ist Vorsicht bei Chinin-haltigen Lebensmitteln wie z. B. Bitterlimonade geboten. Chinin wirkt muskelentspannend, hemmt also die Signalübertragung an der motorischen Endplatte weiter, wodurch sich myasthene Symptome verschlimmern können.19
Für Patient:innen mit einer Myasthenia gravis ist es auch am Arbeitsplatz wichtig, ihre Belastungsgrenze zu erkennen und einzuhalten, um eine Verschlimmerung der Symptome zu vermeiden. Daher eignen sich besonders Arbeitsplätze mit hoher Flexibilität z. B. bezüglich der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes. Grundsätzlich sollten sich Betroffene mit ihrem Arbeitgeber abstimmen, um eine passende Lösung zu finden.
Bei einer Myasthenia gravis kann es helfen, ein Tagebuch bezüglich der auftretenden Symptome zu führen. So können Betroffene individuell für sich herausfinden, wo ihre Belastungsgrenzen liegen und ihren Alltag danach ausrichten. Außerdem empfehlen sich regelmäßige Kontrollbesuche in der ärztlichen Praxis, um Veränderungen des Krankheitsbildes schnell feststellen und ggf. therapieren zu können.
Wenn Patient:innen mit Myasthenia gravis in den Urlaub fahren sollten sie auch hier auf ihre individuellen Belastungsgrenzen achten und genug Ruhepausen einplanen. Außerdem gibt es bestimmte Reiseimpfungen, die die Wahl des Urlaubsortes einschränken können: Bei Patient:innen mit Thymom ist z. B. die Gelbfieberimpfung laut RKI kontraindiziert. Demnach können Betroffene in kein Land reisen, in dem die Gelbfieberimpfung verpflichtend ist.20
Bei der Myasthenia gravis bildet das Immunsystem sogenannte Autoantikörper, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten. Sie docken an Rezeptoren auf der Oberfläche von Muskelzellen an und blockieren diese. So wird die Signalübertragung von den Nervenzellen auf die Muskeln gestört und es kommt zur Muskelschwäche.12
In der Thymusdrüse werden wichtige Immunzellen geprägt und vermehrt. Bei 50–60 % der Patient:innen mit Myasthenia gravis ist die Thymusdrüse vergrößert. Daher wird steht sie unter Verdacht, an der Produktion der Autoantikörper beteiligt zu sein.126
Bei der okulären Myasthenie beschränken sich die auftretenden Symptome auf die Augenmuskulatur. Dies kann sich beispielsweise durch das Sehen von Doppelbildern oder das Hängen der Augenlider äußern. Weitere Muskelgruppen wie die Rachen-, Atem- oder Skelettmuskulatur sind bei der okulären Myasthenie nicht betroffen.12
Bisher ist Myasthenia gravis nicht heilbar. Allerdings gibt es heutzutage verschiedene Therapiemöglichkeiten, um die Symptome zu mildern. Dazu gehören beispielsweise Antikörpertherapien, bei denen Antikörper eingesetzt werden, um die Autoantikörperproduktion der Immunzellen zu unterdrücken.131415
Bei der neuromuskulären Endplatte handelt es sich um den Übergang zwischen Nerven- und Muskelzellen. Eine angeregte Nervenzelle schüttet Botenstoffe in die neuromuskuläre Endplatte aus. Die Botenstoffe wandern zur Oberfläche der Muskelzelle und docken an Rezeptoren an, wodurch das Signal der Nervenzelle auf den Muskel übertragen wird.12
Eine Komplikation, die bei Myasthenia gravis auftreten kann, ist die sogenannte myasthene Krise. Es handelt sich hierbei um einen lebensbedrohlichen Zustand, bei dem sich die Symptome rapide verschlechtern. Die Betroffenen benötigen meist eine mechanische Beatmung und/oder künstliche Ernährung.12
Bei Myasthenia gravis handelt es sich um keine Erbkrankheit.5
Die Symptome an der Augenmuskulatur machen sich meist durch das Sehen von Doppelbildern und das Hängen mindestens eines der Augenlider bemerkbar. Diese Art von Symptomen betreffen etwa 85 % der Patient:innen mit Myasthenia gravis.12
Bei der neonatalen Myasthenie kommt es bei Neugeborenen von Müttern mit Myasthenia gravis zu einem Auftreten von myasthenen Symptomen. Meist klingen diese aber nach ein paar Wochen wieder ab.16
Das Lambert-Eaton-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper Kanäle in den Nervenzellen zerstören. In Folge wird die Ausschüttung der Botenstoffe und somit die Signalübertragung auf die Muskelzellen gestört. Daher treten ähnliche Symptome wie bei Myasthenia gravis auf.12
Dieser Text entspricht den redaktionellen Standards der JanssenWithMe und wurde von einem Mitglied des redaktionellen Beirats der JanssenWithMe geprüft. Lernen Sie hier den medizinischen Beirat unserer Redaktion kennen.
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