Folge 6: Klartext reden im Freundeskreis – und alle gewinnen!

Klartext reden im Freundeskreis – und alle gewinnen!

Früher haben sie Ausreden erfunden, um ihre CED zu verheimlichen – heute wissen Eva und Holger beide, warum es sich lohnt, mit den Freund:innen Klartext zu sprechen. Beide berichten, wie wichtig offene Kommunikation ist und wie sie ihren Weg gefunden haben, Freundschaften zu führen und sich dabei als vollwertige Freundin bzw. vollwertiger Freund zu fühlen.
(EM-94605)


Teilnehmer:innen

Eva

„Mein Name ist Eva. Als ich die Diagnose Morbus Crohn erhalten habe, war das am Anfang wirklich eine Herausforderung für mich. Vieles in meinem Leben hat sich seitdem verändert. Heute kann ich sagen, dass ich gelernt habe, mit dem Morbus Crohn umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Das war allerdings nicht immer so. Nach meiner Diagnose wusste ich nicht so recht, wie ich kommunizieren soll, dass ich an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leide.

Das Schreiben hat mir dabei geholfen, alles zu verarbeiten. Gleichzeitig kann ich anderen dabei helfen, mit der neuen Situation umzugehen, indem ich meine Geschichte öffentlich mache.

Ich möchte über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufklären und anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Zusammen mit Janssen trete ich für eine offene Kommunikation über CED ein – dafür engagiere ich mich im Rahmen der Aufklärungskampagne ‚Einfach sagen, was dahintersteckt.

"So führen wir beispielsweise regelmäßige Interviews mit Betroffenen, Angehörigen, Ärzt:innen und Psycholog:innen rund um die Colitis ulcerosa und den Morbus Crohn. Wir sprechen aber auch über die Erkrankung selbst und über Ernährung, Sport oder Reisen mit CED – eben alle Themen, die dazugehören. Die Gespräche findest du hier auf der Seite im Podcast- oder Videoformat.

Holger

Industriekaufmann Holger erhielt die Diagnose Morbus Crohn erst mit 30 Jahren – und hat schon einige Operationen hinter sich. Für den Familienvater ist Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg und er findet es besonders wichtig, sich mit anderen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und das Thema CED aus der Tabuzone zu holen. Deswegen hat er den Verein „Lila Hoffnung – CED und Darmkrebshilfe e. V.“ gegründet. Ziel ist es, über Morbus Crohn und Colitis ulcerosa aufzuklären und auf Darmkrebsvorsorge aufmerksam zu machen. Der Verein veranstaltet regelmäßige Spendenaktionen wie etwa Charity Runs, um anderen Betroffenen Herzenswünsche zu erfüllen und Aufklärungsarbeit zu leisten. In der Vergangenheit fuhr Holger dafür beispielsweise in 7 Tagen rund 700 Kilometer mit dem Fahrrad.

Webseite Lila Hoffnung e.V.

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Über den Podcast

Inhaltsverzeichnis

(00:00:25) Wer ist Holger und worum geht’s heute?
(00:01:08) Wenn sich Freund:innen abwenden: Bei wem lohnt es sich, über seinen Schatten zu springen, bei wem nicht?
(00:07:02) Wie viel erzähle ich meinen Freund:innen und wie viel erzählen sie mir?
(00:13:02) Freundschaft mit CED – Wie funktioniert’s?
(00:17:37) Warum mit Gleichgesinnten zu sprechen helfen kann & Fazit
(00:21:13) Outro

Transkript Folge 6:
Klartext reden im Freundeskreis - und alle gewinnen!


Eva [00:00:00] Willkommen zu „Klartext“ – dem Podcast über CED. Mein Name ist Eva und ich habe Morbus Crohn. In dieser Podcast-Reihe möchte ich euch an meiner Geschichte teilhaben lassen und zeigen, wie ich gelernt habe mit der Erkrankung umzugehen.

Hallo, schön, dass ihr wieder dabei seid, bei einer neuen Folge von „Klartext“. Heute geht es darum, wie man mit seinen Freunden und seinem Freundeskreis über die CED sprechen kann. Dafür ist wieder der Holger zugeschaltet. Beim letzten Mal haben wir schon über Partnerschaft, Familie und den Umgang mit der Erkrankung in diesem Kontext gesprochen. Hallo Holger, schön, dass du wieder dabei!

Holger [00:00:25] Hallo Eva!

Eva [00:00:26] Hi! Magst du dich für die, die es beim letzten Mal nicht gehört haben, noch einmal kurz vorstellen?

Holger [00:00:32] Ja, ich bin der Holger, bin 40 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder und seit rund 10 Jahren Morbus Crohn.

Eva [00:00:43] Das heißt, du hast schon ein ordentliches „Erfahrungspaket“, aus dem du jetzt berichten kannst.

Holger [00:00:47] Das stimmt!

Eva [00:00:49] Wir haben jetzt schon ein bisschen über Partnerschaft, den engeren Familienkreis gesprochen. Ein enorm wichtiges Thema, bei dem es für viele wahrscheinlich auch schwierig ist, den richtigen Weg zu finden. Wie sage ich meinen Freunden, dass ich CED habe und wie gehe ich in meinem Freundeskreis damit um? Was ist deine Strategie dahingehend? Und gibt es Unterschiede, wie du heute mit dem Thema umgehst und wie du damals damit umgegangen bist, als deine ersten Beschwerden auftraten?

Holger [00:01:23] Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als ich die ersten Beschwerden bekommen habe. Bei mir fing das mit Durchfällen an und ich hatte dann zwei Abszesse. Ich hatte einen allerbesten Freund. Ich sage ganz bewusst „ich hatte“, denn ich würde gerne direkt mit den negativen Dingen beginnen, damit ich dann auf die positiven Dinge zu sprechen komme, denn die positiven Dinge sollten immer im Fokus stehen. Als bei mir die Beschwerden anfingen, habe ich im Grunde zu Beginn der Erkrankung – ich wusste noch gar nicht, dass ich diese Erkrankung habe, weil dieser Weg vom Beschwerdebild bis zur Diagnose bei mir sehr lange gedauert hat – aus Scham und auch aus Angst darüber zu sprechen, nicht darüber gesprochen. Ich habe dann Ausreden erfunden und gesagt: „Ich habe Kopfschmerzen“, oder: „Meine Mutter ist krank.“ Das war völlig aus der Luft gegriffen. Und das habe ich halt sehr oft gemacht, und mein allerbester Freund hat sich dann einfach von mir abgewendet nach gewisser Zeit. Und das tat weh, muss ich rückblickend ganz ehrlich sagen. Heute würde ich das anders machen, definitiv. Wie war das bei dir?

Eva [00:02:44] Ich habe leider auch die Erfahrung gemacht. Die Diagnose hat mich in einem Lebensalter getroffen – Sturm und Drang-Phase würde man sagen –, in dem man relativ viel unterwegs ist, Spaß hat, noch nicht ganz so viele Verpflichtungen hat, weil man sich im Studium und noch vor dem Berufsstand befindet und deshalb ein gewisser Grad an Freizeitaktivitäten ein Standard war. Und mich hat das dann in dem Moment einfach rausgeholt und ich hatte das Gefühl, dass die Leute denken, die Eva, die funktioniert nicht so, wie es vielleicht gewünscht ist und jetzt wird es unbequem. Ich selbst habe versucht auf Biegen und Brechen Dinge mitzumachen und es war jedes Mal verletzend, dann Unverständnis zu ernten. Damals hatte ich für mich aber auch noch nicht das richtige Maß an Kommunikation gefunden, aber auch noch nicht die notwendige Akzeptanz und das Wissen über die Erkrankung, um mit einem gewissen Selbstbewusstsein auftreten zu können. Das war für mich dann wie ein kleiner Teufelskreis: Die Leute brachen mir weg, während ich selbst nicht drauf klarkam. Das war keine schöne Phase. Genau, wie du auch sagst, würde ich heute auch die Dinge ganz anders angehen. Ich weiß jetzt außerdem, dass es mir gezeigt hat, dass diese Menschen nicht die richtigen waren und, dass die es eigentlich gar nicht wert waren, dass ich mich so schlecht gefühlt habe. Aber hinterher ist man immer schlauer. Deshalb kann ich das genauso unterschreiben, dass man schon merkt, dass man heute anders mit den Menschen kommunizieren würde. Positiv formuliert, habe ich aber auch in genau dieser Zeit gemerkt, welche Menschen diejenigen waren, die nochmal nachgefragt haben, die sich die Mühe gemacht haben zu hinterfragen: „Das kann doch nicht sein, dass du jetzt ständig Fieber hast. Da steckt doch etwas anderes hinter“ oder „Du musst doch jetzt auch mal wieder ein bisschen Zeit haben, was ist denn los“ oder „Habe ich etwas falsch gemacht?“ Das sind auch genau die Menschen, bei denen ich gemerkt habe, dass es sich lohnt offen zu sein und Zeit und Mühe zu investieren, um ein Verständnis aufzubauen.

Holger [00:05:18] Das macht dann auch wahre Freundschaft aus. Ich sehe das jetzt auch so. Ich hatte im Grunde zu der Zeit gar keine Freunde mehr. Mit dem Erkrankungsweg bin ich in eine Situation gekommen oder auf so eine Welle, sag ich mal, wo ich dann gesagt habe: „Ich gehe damit jetzt offener um!“ Das hat mir dann auch gezeigt, nach zwei, drei Leuten, die dann auch zu Freunden geworden sind, … – ich finde da muss man auch unterscheiden, weil es zum einen Bekannte und zum anderen richtige Freunde gibt. Richtige Freunde hat man ja nicht viele. Das ist einfach so. So sehe ich das. Richtige Freunde sind die, die das dann auch verstehen und dich unterstützen und, wenn sie ein paar Tage nichts von dir gehört haben, auf dich zukommen und fragen: „Mensch, was ist denn da überhaupt los bei dir? Geht es dir nicht gut oder kann ich dir helfen?“ Das tut gut und ist nicht so verletzend. Und das muss ich ganz klar betonen: Ihr verletzt Leute damit, wenn ihr kein Verständnis gegenüber so einem Thema zeigt. Das kann ich schon fast als Appell formulieren: Hört den betroffenen Menschen gut zu, das ist ganz, ganz wichtig! Man ist selbst schon so beschäftigt mit der Erkrankung, hat Schwierigkeiten, hat Schmerzen, hat vielleicht auch ein gewisses Schamgefühl Freunden oder Bekannten gegenüber. Es hilft enorm, Betroffenen zuzuhören oder auch einfach mal zu sagen: „Ja, ich verstehe das.“

Eva [00:07:03] Hast du für dich eine Regel entwickelt, wie viel du preisgibst oder wie viele Details erzählt werden müssen, damit deine Freunde das verstehen können? Du hast auch gesagt, dass du einen Unterschied zwischen Freundschaften und Bekanntschaften machst. Hast du da für dich eine Faustregel oder entscheidest du das im Prinzip situativ?

Holger [00:07:24] Das entscheide ich definitiv aus dem Bauchgefühl heraus. Mit meinen besten Freunden, mit denen ich jetzt zum Beispiel vor zwei Jahren auch eine Tour gemacht habe, die wissen im Grunde alles über mich. Es ist auch kein Thema über Durchfall oder über meine Beschwerden zu sprechen. Die verstehen das, akzeptieren das und sagen auch: „Wenn du nicht kannst, ist das okay, dann treffen wir uns wann anders.“ Also da unterscheide ich schon. Meinen besten Freunden erzähle ich eigentlich alles. Wenn ich neue Leute kennenlerne, würde ich nicht mit der Tür ins Haus fallen: „Hi, ich bin Holger und ich habe Durchfall.“ Also das definitiv nicht. Man muss sich auch da ein bisschen an das Thema herantasten. Wie ist mein Gegenüber? Ist die Person ein lockerer Mensch? Es gibt auch Menschen, die ein bisschen ruhiger sind. Da muss ich erst einmal ein Gefühl für den Menschen entwickeln, bevor ich jemandem etwas erzähle. Wichtig ist auch, auf welcher Basis: Wie ist das Vertrauen zu der Person? Behält die Person das für sich oder hängt sie das an die große Glocke? Das ist dann auch ein Vertrauen, das man einfordert oder sich wünscht: Wenn ich meinem Gegenüber etwas erzähle, will ich nicht, dass er das gleich in die Welt heraustratscht.

Eva [00:08:49] Ja, das hat auf jeden Fall etwas mit Vertrauen zu tun, was vorhanden sein sollte. Ich finde, man kann aber auch von einer Freundschaft erwarten, dass Freunde Dinge ansprechen. Ich weiß nicht, ob du das schon erlebt hast, dieses Gefühl, dass du selbst vielleicht denkst, dass du eine Belastung bist. Bei mir war es so, wenn ich das angesprochen habe und gesagt habe: „Das ist für mich irgendwie komisch und fühlt sich für mich blöd an. Können wir nicht etwas anderes machen, wobei ich mich wohler fühle?“ Das war das manchmal auch eine Überraschung. Die anderen haben dann gesagt: „Das ist mir gar nicht aufgefallen. Das tut mir schrecklich leid!“ Und man hat dann manchmal selbst sogar ein größeres Problem aus einer Sache gemacht, als sie tatsächlich war. Sprichst du offen mit deinen Freunden, wenn so etwas passiert, wenn du mal etwas absagen musst oder wenn du das Gefühl hast, dass gerade nicht das nötige Verständnis herrscht?

Eva [00:09:55] Definitiv. Also vor meinen besten Freunden sage ich ganz offen: „Mir geht es nicht gut!“ Wenn wir regelmäßig telefonieren, hören sie das auch und merken schon, dass etwas nicht stimmt. Ich habe auch die positive Erfahrung gemacht, dass mein allerbester Freund mir zuhört. Das gibt mir ein gutes Gefühl. In meinem Freundeskreis habe ich vor kurzem auch eine heftige Situation erlebt, die mir gezeigt hat, dass meine Freunde Rücksicht auf mich nehmen, um mich möglicherweise nicht zu belasten. In meinem Bekanntenkreis gibt es jemanden, dessen Frau vor kurzem schwer erkrankt ist. Die Krankheit seiner Frau ist ihm schon seit 3 Monaten bekannt, er hatte mir aber nichts davon erzählt, weil er mich nicht damit belasten wollte. Dann habe ich zu ihm gesagt: „Hey, wir sind so gute Freunde, ich bin doch auch für dich da!“ Die Rücksichtnahme von seiner Seite fand ich aber sehr toll, weil ich das nicht kannte, dass Freunde so eine Rücksicht auf mich nehmen. Allerdings habe ich zu ihm gesagt: „Warum erzählst du mir das denn nicht? Ich bin doch auch für dich da! Gerade in so einer Situation musst du ja nicht alleine sein und dich alleine mit dem Problem auseinandersetzen. Dafür bin ich ja auch dein Freund.“ Diese Seiten gibt es also natürlich auch.

Eva [00:11:19] Ich habe ähnliche Situationen im Freundeskreis erlebt. Es gab auch schon Situationen, in denen ich gesagt habe: „Kommt doch bitte auch zu mir.“ Man will sich eben auch noch als echter Freund fühlen und etwas zurückgeben von dem, was man in schweren Zeiten an Verständnis bekommen hat. Ich denke, selbst wenn das Problem – in dem Beispiel, das du eben angesprochen hast, ist es natürlich sehr schlimm und sehr belastend – im Vergleich zu den Dingen, die wir in dieser Phase durchgemacht haben, neutral betrachtet nur ein „Kinkerlitzchen“ ist, kann das Problem für die betroffene Person sehr belastend sein. Und ich möchte, egal ob das – ich übertreibe – ein abgebrochener Fingernagel ist oder irgendwie jemand, der dich beleidigt hat, dass du Freunde mit mir darüber sprechen, damit ich mich auch wie eine vollwertige Freundin fühlen darf. Und ich glaube, das macht es einfach wieder aus, da sind wir wieder bei unserem Schlüssel „Kommunikation“. Dass in einer Freundschaft, ähnlich wie auch in einer Partnerschaft, darüber gesprochen werden muss, was man empfindet. Ich habe auch einmal Ärger bekommen, weil ich für eine Zeitlang meinen Zustand verschönert habe, als meine Freundin vor ihrer Hochzeit stand. Ich habe einen riesen „Abriss“ von ihr gekriegt. Sie hat gesagt: „Ich merke das doch, ich bin doch nicht blöd. Ich bekomme das doch mit und mich belastet es mehr, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas aus dem Ruder läuft und du mit mir nicht darüber redest.“

Holger [00:12:53] Das sind dann aber auch richtige Freunde, ne.

Eva [00:12:55] Das macht es dann glaube ich auch aus. Das ist dann Freundschaft! Hast du mal offen mit deinen engen Freunden kommuniziert, welches Verhalten du dir von ihnen wünschst oder wie man dir beim Umgang mit der Erkrankung in der jeweiligen Situation zur Seite stehen kann? Da tickt ja jeder Mensch anders. Der eine möchte vielleicht manchmal ein gewisses Interesse für sein Anliegen bekommen, der andere möchte, dass man ganz normal miteinander umgeht, wieder ein anderer möchte eventuell geschont werden. Wie gehst du da vor?

Holger [00:13:39] Bei mir ist es einfach so, durch den neuen Freundeskreis, den ich habe – ja, wir sind auch ein Stück weit mit der Erkrankung beste Freunde geworden – die sind diesen Weg auch mitgegangen. Es gab bei mir diesen Zeitpunkt, an dem ich mich geöffnet habe und gesagt habe: „Ich gehe jetzt einfach mal offen mit dieser Erkrankung um.“ Das war für mich der beste Weg: offene Kommunikation, aber natürlich in einem gewissen Maß. Und da muss man überlegen: Wem erzähle ich das? Aber für die besten Freunde war das ein guter Weg – mit ihnen zu sprechen. Und die fordern das dann auch manchmal ein und sagen: „Wie geht es dir, Holger? Wollen wir mal wieder was machen, hättest du Lust?“ Und dann sage ich: „Na ja, ich weiß nicht.“ Dann bekomme ich natürlich auch die Reaktion gespiegelt, die ich mir wünsche: „Gar kein Problem! Wenn du sagst, wir können keine Pizza essen gehen, dann essen wir die eben bei dir zu Hause.“ Die wissen eben schon, dass ich verschiedene Schwierigkeiten habe. Beispielsweise bin ich mir in der Regel immer unsicher, wenn ich rausgehe, wenn es dann heißt: „Komm, wir gehen mal zum Volksfest und essen da mal irgendwas!“ Dann denke ich mir: „Na ja, ich gehe zwar mit, aber etwas dort zu essen ist schon wieder schwierig.“ Und sie wissen das und dann ist es auch kein Thema mehr. Insofern ist es einfach schön von meinen Freunden zu wissen, dass sie Bescheid wissen und dann zum Beispiel sagen: „Okay, wir können halt nicht Pizza essen gehen, dann essen wir Pizza bei dir.“ Dann weiß ich, dass ich zu Hause in einem sicheren Umfeld bin und auch den Schutz habe. Wenn ich mal auf die Toilette muss, weiß ich: Ich bin zu Hause, da kann nichts passieren. Das gibt mir wirklich ein gutes Gefühl.

Eva [00:15:30] Auf jeden Fall. Das ist ein schöner Tipp. Wenn man sich die Frage stellt: „Wie kann ich mit einer CED einen funktionierenden Freundeskreis haben?“, ist einer der wichtigen Punkte, dass man ehrlich zu sich selbst ist. Das war manchmal auch bei mir ein Problem. Dann wollte ich unbedingt irgendwo hin und musste, als ich dort ankam, im Endeffekt fast heulen, weil ich gemerkt habe, dass ich mich selbst angelogen habe. Es ist wichtig, auf den Körper zu hören und aktiv Dinge vorzuschlagen oder auch zum Beispiel zu sagen: „Hey, ich habe keine Ahnung, ob es da Toiletten gibt oder nicht, ich weiß nicht.“ oder „Im Kino fühle ich mich eingepfercht und, wenn ich fünfmal während des Films raus muss, dann ist mir das unangenehm.“ Wichtig ist, dass man einfach darüber spricht und vielleicht gemeinsam eine Alternative findet, an der beide Seiten Spaß haben. Vielleicht finden die Freunde das ja auch cool.

Holger [00:16:26] Planung kann ja auch schon ein Ziel sein. Du hast gerade von Kino gesprochen – ich bin zum Beispiel Fußballfan. Stadion – das ist eben eine Situation, die man auch planen kann. Wenn ich gerne ins Kino gehen möchte, dann gucke ich im Online-Verkauf und organisiere mir beispielsweise einen Platz direkt am Gang. Dann weiß ich, dass ich schnell rauskomme. Und meine Freunde wissen das. Wenn die dann sagen: „Komm, wir gehen ins Kino. Ich bestelle die Karten!“, dann bestellen sie die Karten so, dass ich zumindest direkt am Gang sitze. Das nimmt mir den Druck und auch die Angst. Das ist einfach ein schönes Gefühl – zu wissen, dass man Freunde hat, die einen verstehen und unterstützen.

Eva [00:17:11] Auf der anderen Seite habe ich aber auch manchmal den Wunsch, dass das Thema gar nicht angesprochen wird. Trotzdem habe ich für mich gelernt, dass es mir enorm guttut, einen Austausch mit Betroffenen und anderen CEDlern zu haben, auch, weil durch die gleiche Erkrankung, ein gewisses Grundvertrauen und eine Verbundenheit herrscht. Das hilft mir manchmal enorm, um mein Verhalten zu spiegeln und Dinge einfach mal loszuwerden, weil ich weiß: Die nehmen das, was ich sage auf und können das verarbeiten und einschätzen. Dadurch kann ich sagen, dass es Dinge gibt, die ich im anderen Kreis, meinem Freundeskreis von „Gesunden“, nicht fragen oder diskutieren muss. Dann habe ich die Möglichkeit, den Fokus in meinem Freundeskreis anders auszurichten. Wie ist du das für dich? Ist das auch etwas, was dir – eigentlich eine rhetorische Frage – guttut?

Holger [00:18:14] Ja definitiv, also gerade in der heutigen Zeit ist das Thema „soziale Medien“ für alle relevant. Wir beide kennen das zu gut, dass man viele, viele Menschen erreichen kann und, dass auch über soziale Netzwerke Freundschaften entstehen können. Da tut es dann einfach gut, sich mit Gleichgesinnten – so ist es ja nun mal, wir teilen alle das gleiche Schicksal, wir haben eine chronische Erkrankung – auszutauschen. Dann erzählt man eventuell auch noch mal andere Dinge, weil man denkt: Meinen besten Freund muss ich jetzt nicht schon wieder damit voll quatschen oder belasten. Man macht sich ja auch Gedanken, inwieweit eine Freundschaft sowas auch trägt. Dann ist es gut mit anderen Betroffenen auch mal proaktiv über Themen zu sprechen: „Ich habe wieder Schmerzen!“ oder „Wie machst du das?“ Betroffene sind natürlich mit der Thematik, was Medikation beispielsweise betrifft oder Therapien, ganz anders vertraut, als der beste Freund, der vielleicht gesund ist, und das hilft natürlich enorm, finde ich.

Eva [00:19:28] Eigentlich sind wir jetzt schon fast bei unserem Fazit. Wir können festhalten, dass Freundschaften und CED wunderbar funktionieren können, dass es aber dabei enorm wichtig ist, wirklich offen und proaktiv damit umzugehen.

Holger [00:19:42] Ja, definitiv!

Eva [00:19:43] Und wie du auch gerade sagtest, dass dieser Austausch zu anderen Betroffenen in Ergänzung einfach auch enorm wertvoll sein kann.

Holger [00:19:56] Auf jeden Fall – beide Seiten! Bei mir ist es so, dass ich einen Freundeskreis habe, der gesund ist, aber ich auch Freunde habe, die das gleiche Schicksal teilen, die ich durch die Erkrankung kennengelernt habe und auch zu meinem Freundeskreis zähle. Das Thema „Kommunikation“ ist immer wieder präsent und für mich der Schlüssel zum Erfolg – so würde ich es einfach mal sagen. Denn eine Freundschaft über viele Jahre hinweg zu haben und zu pflegen, ist Arbeit für beide Seiten. Und dann können auch Freundschaften mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wunderbar funktionieren. Denn, das ist mein Lebensmotto: Weil das Leben Spaß macht! Wir wollen Spaß im Leben haben und Spaß im Leben können wir auch mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung haben.

Eva [00:20:48] Genau. Super, vielen Dank! Ich glaube, da ist es einfach auch enorm wichtig, dass man für sich, gemeinsam mit seinen Freunden und Bekannten, einen Weg findet, der für beide Seiten gut funktionieren kann, ohne dass sich jemand verstellen oder kleinmachen muss.

Holger [00:21:05] Das stimmt, genauso ist es!

Eva [00:21:06] Ich danke dir nochmal für dieses schöne Gespräch und deine Offenheit und wünsche dir alles Gute, Holger! Und euch danke ich fürs Zuhören und sage: Bis zum nächsten Mal! Ciao, Holger.

Holger [00:21:20] Tschüss, vielen Dank!

Eva [00:21:21] Schön, dass ihr wieder mit dabei wart und zugehört habt. Habt ihr vielleicht Themen, Wünsche oder Anregungen für uns für diesen Podcast? Dann schaut in die Podcast-Beschreibung. Dort findet ihr eine Info, wie ihr uns kontaktieren könnt. Oder schaut bei Facebook bei CEDlife vorbei!

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